Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 137 Psychoanalytisches Setting als Mimetische Zeremonie Wie bei der ästhetischen oder an- oder unästhetischen Theorie oder der musika-lisch/unmusikalischen Analyse die analytisch-theoretisch begreifende Aneignung der Kunst wird, ganz in Richtung » postmoderner « Prävalenz des Ästhetischen un-ter anderem im Zeichen des ›Performativen‹, sogar der therapeutische Prozess äs-thetisiert. Übergreifende Tendenzen zu einer Ästhetisierung auch da, wo sie von der Sache her problematisch erscheinen, gibt es seitens der Psychoanalyse in der sozusa-gen buchstäblichen Auffassung des therapeutischen Settings als Mimetische Zere-monie, mit der es historisch-systematisch in der Tat Gemeinsamkeiten genetischer, struktureller, sogar funktioneller (Katharsis) Art hat, ohne dadurch allerdings zum Ästhetischen zu werden.Das Konzept der Performanz [… als] Sichtweise legt die Rollen von Zuschauer und Akteur – und das gilt auch für die psychoanalytische Situation – nicht mehr eindeutig fest, ohne eine bestehende Asymmetrie vernachlässigen zu müssen. Eine performative Sichtweise stellt den Vollzug eines Geschehens, das heißt auch die Wahrnehmung aller seiner sinnlichen Aspekte, ins Zentrum, so daß der psychoanalytische Prozeß als ein ästhetischer Aneignungsprozeß verstanden werden kann.15 Es gibt freilich gute Gründe dafür, auch hier die Grenzen zwischen Kunst und Le-ben nicht zu überschreiten. Der Kunstbegriff im Wort ›Heilkunst‹ ist der der antik-feudalen ›artes‹, der Kunstbegriff der ›Tonkunst‹ gehört zur neuzeitlichen bürger-lichen Gesellschaft.Ein solches Konzept öffnet – auch den theoretischen – Raum über das Verste-hen hinaus für das Erschaffen neuer Wirklichkeiten.16 Letzteres ist tatsächlich ein Merkmal von Kunst – wobei es sich bei künstlerischer Mimesis der Praxis nicht um eine creatio ex nihilo handelt; und es ist ontologisch eine imaginär-reale Wirklichkeit. Im Kontext der Psychotherapie freilich klingt es fast so, als solle eine Neurose in eine Psychose verwandelt werden.Die Umkehrungsform dieser » performativen « Perspektive ist eine mögliche und schlüssige Konsequenz – Kunst als (dilettantische) Psycho-Therapie. Marina Abra-movic inszenierte sich im Museum of Modern Art in New York in einer Subjekt-Installation bzw. » Performance « ohne performiertes Objekt: Sie saß mehrere Tage viele Stunden bewegungslos auf einem Stuhl und ließ sich von jeweils einem (wech-selnden) Gegenüber aus dem Publikum anschauen. Das setzt sicherlich wie im psy-choanalytischen Setting Prozesse von Übertragung und Gegenübertragung in Gang, 15 Diana Pflichthofer: Performanz in der Psychoanalyse: Inszenierung – Aufführung – Verwandlung, in: PSYCHE 62 (2008), H. 1, S. 28–60, hier S. 28, Hervorhebung H.-W. H. 16 Ebd., S. 28, Hervorhebung H.-W. H.