Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 141 gen kriegerischen Ereignissen nur mit durch die ›Stimmung‹ des Himmels vorausahnbar waren. So ist mir wiederholt das ›goldige Glänzen‹, der ›Sieges-wind‹ ein ›tiefblauer Himmel‹, ›blutige Wolken‹ (bei Sonnenuntergang) aufge-fallen, die stets siegreichen deutschen Ereignissen vorausgiengen. Ebenso giengen starke Wetterverschlechterungen mit Sturm und Regen, tiefschwarzen Wolken unheimlichem Eindruck den schlechten Wendungen auf dem österr.-russischen Kriegsschauplatz voraus. […] Bemerken muss ich, dass nicht im-mer ein bewölkter Himmel mir den Eindruck ungünstiger Ereignisse macht.24 Es wäre also etwa die Konfiguration » Ich sehe was hinein, was du nicht siehst – und was nicht drin ist « . Im Unterschied zum unabsichtlichen oder absichtlichen Verhö-ren ist Schönbergs Vorgehen hier keine Fehlleistung, kein Versehen: Er glaubt wirk-lich, im Naturobjekt ein gesellschaftlich bedeutsames Zeichen zu sehen. Schönberg ist dabei im Irrationalen noch Realist genug, um allzu triviale Zuordnungen zu rela-tivieren und auch die Dissonanz der nicht-schönen Natur zu üblichen Vorstellun-gen von gutem Wetter als mögliches Positivum im Kriegerischen gelten zu lassen. Sogar ein Rest von Skepsis oder doch Vorbehalt schimmert durch, wenn Schönberg auf empirische Verifikation durch längere Untersuchungsreihen hofft. Naiv freilich ist die reflexionslos zugrundegelegte chauvinistische Annahme, der Himmel halte es wie selbstverständlich mit den österreichisch-deutschen Truppen. Nicht umsonst gab es den Begriff » Kaiserwetter « . Über das Politische hinaus hat bei einem Künst-ler wie Schönberg das Religiöse einen noch anderen Pferdefuß. Die magische bis mystizistische Verknüpfung von allem mit allem im Zeichen des Universismus könnte nämlich ein Preis für die tendenziell universale Semantisierung des Tonsat-zes sein.Abwehr/Verleugnung/Spaltung. Ich höre nur was und sehe nichts Durch die Abspaltung des nur Hörbaren vom Sichtbaren kann Musik als Abwehr gegen die eventuell noch bedrohlichere optisch-theatralische Sinnlichkeit fungieren. So z. B. apropos von Verdis » Un giorno di regno, ossia Il finto Stanislao « (1840), als Oper objektiv eine vermittelte Einheit von Text, Ton und Szene:Wohl mit ca. 15 Jahren eines meiner ersten Verdi-Erlebnisse. Wie oft habe ich die Tonbandaufnahme angehört, ohne eine Ahnung vom Inhalt zu haben. Aber es war wunderschön sich in die Melodien zu verkriechen.25 24 Arnold Schönberg Center, Wien (T 26.01); veröffentlicht in: Journal of the Arnold Schoenberg Insti -tute 9 (Juni 1986), Nr. 1, S. 55–77. Vgl. dazu auch Hanns-Werner Heister: Politik, Kunst Religion: Ge-walt bei Schönberg ¸ in: Arnold Schönberg und sein Gott / and His God. Bericht zum Symposium 26.–29. Juni 2002 (= Journal of the Arnold Schönberg Center, Bd. 5), hrsg. von Christian Meyer, Wien 2003, S. 31–64.25 Theodor Frey: Giuseppe Verdi, in: http://www.theodor-frey.de/verdi.htm#werkverzeichnis (Zugriff am 31.5.2011).