Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 149 Es handelt sich hier um die zwölfte Variation von insgesamt 21 – an den » Pierrot lunaire « mit seinen 3x7 Gedichten op. 21 aus dem Jahr 1912 ist nicht nur der Zahlen wegen sondern auch wegen des gemeinsamen Themas ›Sadismus‹ zu denken. Es wundert wenig, dass Berg diesen Text sowohl ikonisch als auch symbolisch mit ei-ner von d 1 absteigenden und beim unteren Symmetrieton d wieder aufsteigenden Ganztonleiter interpretiert, also einem Hexachord als 12/2 49 wie als » gamme terri-fiante « , wie sie Berg von Liszt wie Mahler her kannte.Die insgesamt 13 Text-Silben, syllabisch deklamiert, erscheinen dabei durch den unteren Achsenton d als 6 + 1 + 6 verteilt, enthalten also deutlich auch die 12. Oder, anders gesehen, komplettieren sich die Violoncello-Figuren mit der sozusagen über-vollständigen 13 der Singstimme jeweils zusammen zum harmonischen 2x12.Nicht nur wird darin etwas von der Symmetrie in der schlichten Kardinalzahlen-folge 11, 12, 13 abgebildet. Auch die hierzu gehörende Taktzahl 561, als Einheit be-wahrt durch die sacht künstliche Konstruktion des 7/4-Takts, erhält eine zusätzliche und leicht kreisförmige Begründung: Zum einen ist ihre Quersumme zwölf 50 ; zum andern ist die Teilsumme 5+6 der Krebs der erwähnten Tonfolgen-Addition 6+5.51 Dass Berg hier just (wieder) den 7/4-Takt auswählt, ist weniger musikalisch als zah-lensymbolisch zwingend. Schon die Variation sieben bestand ebenfalls aus einem einzigen 7/4-Takt (T. 538), geprägt durch den zweistimmigen symmetrischen Bogen der Hörner über dem Doppelseufzer Wozzecks » Ach! Ach, Marie!« (T. 538f.), nach einem 3/4-Intermezzo aufgegriffen im 7/4-Takt der zehnten Variation (T. 553) mit der akustischen Vision der » fürchterlichen Stimme « , die zu Wozzeck redet. Das setzt die Apokalypse-Motivik fort, die bereits in Akt 1, Szenen 2 und 3, anklang. In der Jo-hannes-Apokalypse spielt nun (wie auch sonst oft im Christentum oder anderen Re-ligionen) die Zahl sieben eine herausragende Rolle: die Fiktion eines » Brief an sie-ben Gemeinden « , das sprichwörtlich gewordene und zur Thematik hier besonders passende » Buch mit sieben Siegeln « , sieben Schalen, sieben Plagen, ein siebenköp-figes Tier bis hin zu den » sieben Posaunen « mit » sieben Engeln « 52 (Offb. 8, 9, 11), noch als Verweis auf die Parallele zwischen diesem und » Wozzeck « als Figur der unterdrückten und leidenden Menschheit, möchte als verrufene und unbeliebte » Spekulation « zu weit gehen.49 Das 12-Ton-Thema liefert die Trompete.50 Als würde die magische zwölf nicht genügen, hat 561 auch unmagisch-mathematisch eine Besonder-heit: Sie ist die kleinste Carmichael-Zahl, als 3x11(!)x17. Ausgehend von Fermats » kleinem Theorem « bezüglich der Primzahlen- bzw. Nicht-Primzahlen-Berechnung bewies Robert Daniel Carmichael 1912, » dass sich jede Carmichael-Zahl als Produkt von mindestens drei ungeraden Primzahlen dar-stellen läßt.« Sie ist eine » absolute Pseudoprimzahl « . a 561 – 1 z. B. ist durch 561 teilbar, » gleichgültig, welchen Wert a besitzt.« David Wells: Das Lexikon der Zahlen. Nachrichten von √ 17 bis 3 ↑ ↑ ↑ 3, Frankfurt a. M. 1991 (englisch 1986), S. 177.Ob Alban Berg diesen Sachverhalt kannte, weiß ich nicht; er könnte es aber von der Chronologie her gewusst haben. Jedenfalls ist die forcierte Behandlung ge-rade dieser Taktzahl auffällig.51 Schließlich ist eben 561 = 17x3x11. Dass bei dieser Division bzw. Multiplikation hier wieder die 11 auftaucht, ist allerdings eine mathematisch unausweichlich verdecktere Implikation der Zahl, die musikalisch gegenüber der evidenten, sichtbaren Oberfläche der Addition zur Quersumme und zur 11 als eher irrelevant erscheint.52 Erinnern wir uns an die sieben Gleichnisse vom Himmelreich (im Matthäus-Evangelium), an die sie-ben Wunder Jesu (im Johannes-Evangelium) und anderes mehr, schließlich die gern vertonten » Sie-