Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 151 » Musikalische « Analyse – Auf der Suche nach der » schönstmöglichen Interpretation « Um nicht allzu pessimistisch zu schließen: Es gibt tatsächlich Tendenzen zu einer Art » musikalischer « Analyse insofern, dass auch diese selber ›schön‹ sein soll. Das gilt einerseits für eine den Sachverhalten angemessene Sprache, andererseits aber für die Gesamtgestalt der Analyse – so etwa, wie z. B. auch mathematische Beweise Kriterien der Schönheit folgen und entsprechen können. Das Streben nach der » schönstmöglichen Interpretation « 57 bezieht sich auf einen Abschnitt in Hanns Eis-lers Filmmusik zu » None But the Lonely Heart « (1944), bei dem er sich auf seine Filmmusik zu der Begräbnisszene in » Grapes of Wrath « bezieht, für die er wieder-um » Kominternlied « und » Lob des Kommunismus « (ein Song aus Eislers Bühnen-musik zu Brechts Stück » Die Mutter « ) kombiniert; aber auch » Internationale « -Refrain und das melodisch ähnliche populäre schottische Lied » Annie Laurie « (aus den 1850ern) spielen mit herein: insgesamt also ein komplexes musikalisches Pa-limpsest, mehrfach intertextuell ›überschrieben‹ und damit auch mehrfach determi-niert und codiert und in seiner Vielfalt analytisch zu deuten.Kriterien wie Einheit in der Mannigfaltigkeit und vice versa oder Vollständig-keit, gesteigert zu Vollkommenheit mögen hier als Maßstab der ›Schönheit‹ in An-schlag gebracht werden. ›Musikalität‹ der Musik-Analyse kann sich auf solche ab-strakten Kriterien beschränken. Einer der hier einschlägigen wahren, guten und schönen Sätze Adornos zeigt eine aufschlussreiche Analogie: » Kunst ist Magie, be-freit von der Lüge, Wahrheit zu sein.« 58 Musik-Analyse ist eine Kunst, aber im Sinn der alten artes. Sie ist daher Wissenschaft, befreit von der Illusion, selber unmittel-bar Kunst sein zu müssen.57 Peter Schweinhardt: Pastorale, Internationale, Liebeslied. Auf der Spur der schönstmöglichen Inter -pretation, in: Eisler-Mitteilungen 18 (2011), April 2011, Nr. 51, S. 33f.58 Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: In nuce (143), in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, hrsg. von Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz, Frankfurt am Main 1986, Bd. 4, S. 254 (zit. nach Digi-tale Bibliothek Bd. 97, Berlin 2003, S. 2092).