» Von Interesse ist die Wirkung « Musikalische Pragmatik und notierte Musik am Beispiel von Sibelius' » Finlandia « » Von Interesse ist die Wirkung « Dietrich Helms Von Interesse ist die Wirkung. Wie ist es möglich, daß ein Autor Weltruhm und eine wie immer auch manipulierte Klassizität erlangt, der nicht bloß hin-ter dem technischen Standard der Zeit völlig zurückgeblieben ist – denn das wird ihm gerade als Verdienst angerechnet -, sondern der dem eigenen Stan-dard keineswegs gewachsen sich zeigt und von den herkömmlichen Mitteln, vom Baumaterial bis zur großen Konstruktion, unsicheren, ja stümperhaften Gebrauch macht? Der Erfolg von Sibelius ist ein Störungssymptom des musi -kalischen Bewusstseins.1 Mit Unverständnis registrierte Theodor W. Adorno in seiner 1938 erstmals erschie-nenen » Glosse über Sibelius « den großen Erfolg des finnischen Komponisten – da-mals vor allem in England und den Vereinigten Staaten, aber auch im nationalsozia-listischen Deutschen Reich. Sich selbst absolut setzend, fragt er sich, wie eine Musik, die seinen Maßstäben für Qualität nicht entspricht, so vom Publikum gefeiert wer-den kann. Wie kann eine Musik, die sich nicht ohrenfällig fortschrittlich gibt, son-dern vermeintlich sogar als Arrière-garde hinter dem technischen Standard der Zeit zurückbleibt, sogar die Weihen der Aufführung durch Arturo Toscanini erhalten? » Wenn Sibelius gut ist,« schreibt Adorno weiter, » dann sind die Maßstäbe der musi-kalischen Qualität als des Beziehungsreichtums, der Artikulation, der Einheit in der Mannigfaltigkeit, der Vielfalt im Einen hinfällig, die von Bach bis Schönberg peren-nieren.« 2 Die Musik des Finnen trage für die Kunstmusik zum großen Verschleiß der Maßstäbe für Qualität bei, » in dem ihn doch die industrialisierte leichte [Musik] spielend überbietet. […] Ihre Wirkung ist gefährlich.« 3 Die folgenden Zeilen sollen keine Verteidigung Sibelius' vor den Angriffen Ador-nos sein, hierzu haben sich andere bereits ausführlich geäußert.4 Die Glosse des So-1 Theodor W. Adorno: Glosse über Sibelius, in: Theodor W. Adorno. Musikalische Schriften IV (Im-promptus), hrsg. von Rolf Tiedemann (= Gesammelte Schriften 17), Frankfurt a. M. 1997, S. 247–252, hier S. 248f. 2 Ebd., S. 251.3 Ebd., S. 252. 4 Die » Glosse über Sibelius « , obwohl zu ihrer Zeit (1938) völlig unauffällig erschienen und für die Sibe -lius-Rezeption bis zu ihrer Wiederveröffentlichung in den » Impromptus « wohl ohne jegliche Rele-vanz, ist in der Sibelius-Forschung zu einem lebhaft diskutierten Politikum geworden. Siehe zur Dis -