158 Dietrich Helms Jakobson weist darauf hin, dass ein kommunikativer Akt immer zunächst herge-stellt und dann aufrechterhalten werden muss. Als zirkulärer, autopoietischer Pro-zess 18 muss sich Kommunikation immer auch ihrer selbst versichern. In der gespro-chenen Sprache erfüllen diese Funktion Phrasen wie z. B. » Entschuldigen Sie bit-te …« , » Hör mal ….« , » Alles klar!« , die den Beginn oder das Ende von Kommunika-tion markieren, oder die kurzen, zustimmenden Laute, die ein Sprecher am Telefon von seinem Gegenüber erwartet, um sicher zu sein, dass die Leitung noch steht. Eine phatische Kommunikation, d. h. reine Kommunikation um der sozialen Funk-tion der Kommunikation Willen, wäre z. B. idealtypischer Smalltalk, in dem es um das Miteinandersprechen geht, nicht jedoch um den Austausch von Informationen über die Umwelt außerhalb der Kommunikation. Kommunikation, will sie erfolgreich Verhalten und Vorstellungen der Kommu-nikanden koordinieren, muss jedoch auch Verstehen absichern, d. h. sich selbst über die genaue Extension der benutzten Zeichen konsensuell klar werden. Daher führt Jakobson eine metasprachliche Funktion ein, die das » richtige « Verstehen herstellt und sichert. In der Sprache wären das z. B. Einschübe in den Dialog, die einen schwierigen Begriff erklären, bzw. auch die Rede unterbrechende Fragen nach der Bedeutung eines Wortes.19 Ähnlich rückbezüglich verweist die poetische Funktion auf die Mitteilung selbst, auf ihre Formung, auf die kommunikativen Mittel, die bei gleicher Verweisfunktion eine Mitteilung einprägsam, besonders oder schön erscheinen lassen. In der gespro-chenen Sprache erfüllen eine solche poetische Funktion z. B. Reihungen gleicher und ähnlicher Laute (z. B. Alliteration und Reim) oder eine bestimmte rhythmische Formung des Gesagten – ohne dass das Gesagte tatsächlich Dichtung sein muss und will.20 Streng genommen sind die neuen, von Jakobson vorgeschlagenen Differenzie-rungen in Bühlers Modell bereits enthalten. Die phatische Funktion ist letztendlich auch eine appellative bzw. in Jakobsons Begrifflichkeit eine konative: Die Kommu-nikanden fordern sich wechselseitig zu Aufmerksamkeit auf. Die metasprachliche und poetische Funktion verweisen genau genommen auf Dinge und Sachverhalte des Kontextes – was auch daran deutlich wird, dass sie aus der eigentlichen Kom-munikationssituation, aus der Objektsprache, heraus- und in das Sprechen über Sprache, in die Metasprache, hineinführen. In metasprachlicher Kommunikation wird auf vergleichbare, bzw. gleichsinnige Dinge und Gegenstände verwiesen, in diesem speziellen Fall auf Synonyme, die als lexikalisches System zum Kontext der Kommunikation gehören. Und auch die poetische Funktion verweist auf ästhetische Konzepte von Form, die als Diskurse den Kontext der Kommunikation darstellen. Allerdings ist Jakobsons Ziel im Vergleich zu Bühlers auch eher ein spezielles. Ihm geht es vorrangig um Poetik, d. h. um das Funktionieren von Kommunikation 18 Vgl. hierzu z. B. Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1987, S. 60-62.19 Jakobson: Linguistics and Poetics, S. 356 (s. Anm. 13).20 Vgl. ebd., S. 356–357.