» Von Interesse ist die Wirkung « 167 prägnante Rhythmus zu Beginn des Allegro moderato (T. 74) wird zu einem » Kampfruf « , der sich zu einer » jubelnden Siegesmelodie weiterentwickelt (T. 99ff.)« . Am Schluss hört Tanzberger eine » von heißer Vaterlandsliebe durchglühte Melodie, die uns wie ein Dankhymnus an die Gottheit erscheint « .41 Was als Zeichen verstanden wird, worauf es verweist und der Kontext in dem es bedeutet, ergeben einen unauflösbaren Regelkreislauf, der eine Semantik mit einer Gültigkeit über die Zeiten, Orte und Gesellschaften hinweg zu einer Fiktion macht. Das gilt für die Musik viel mehr als für die Sprache, in der ununterbrochen durch Kommunikation an Bedeutung gearbeitet wird. Die Musikwissenschaft als Kommu-nikationssystem, das sich bemüht, Kompositionen intersubjektiv oder vielleicht so-gar objektiv Bedeutung zuzuschreiben, ist im Vergleich zum Konzertpublikum rela-tiv klein, die Reichweite ihrer Deutungsmacht im Konzertsaal und im heimischen Wohnzimmer vor den Lautsprechern gering. So bleiben dem Hörer viele Freiheiten, eigene Assoziationen vor dem Hintergrund des eigenen Kontextes einschließlich des eigenen Wissens zu schaffen und im Austausch mit dem unmittelbaren sozialen Umfeld eigene Bedeutungen zu schaffen. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn von Musik.Von Interesse ist hier die Wirkung. Einer pragmatischen Analyse kann nicht dar-an gelegen sein, einen hermeneutischen Ansatz zu replizieren und sich scheinbar hörer-unabhängig auf die Suche nach einer Bedeutung zu machen. Es kann auch nicht ihre Aufgabe sein, einen einzig gültigen Sinn zu konstruieren und » das Bild des finnischen Komponisten zurecht[zu]rücken.« 42 Sie muss vielmehr genau den oben beschriebenen Regelkreislauf nachvollziehen, um das Entstehen und Funktio-nieren von Zeichen zu beobachten, denen ein Rezipient zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt und in einem ganz bestimmten Kontext eine ganz bestimmte Bedeutung zuweist. Ohne einen Zugriff auf den Rezeptionskontext, z. B. weil die Beschreibung so wie hier allein vom Notentext ausgehen muss, bleibt nur zu zeigen, wo Stellen sind, die das Potential haben, von Hörern mit Bedeutung im Sinne eines Verweises auf einen außermusikalischen Gegenstand aufgeladen zu werden. Sehr häufig ist damit zu rechnen, dass die Komposition als Ganzes Verweisfunk-tion bekommt. Eine Nationalhymne z. B. steht insgesamt symbolisch für einen Staat, so ist auch die » Finlandia « Gegenstand nationaler Identifikation. Tibor Kneifs » se-mantische Enklaven « als kurze, vielleicht mit einem Wort oder einer sprachlichen Phrase zu vergleichende Einheiten mit Verweisfunktion sind in der Tat eher selten. Wenn allerdings eine Komposition für den (nicht-musikwissenschaftlichen) Hörer vor allem als Ganzes bedeutet, bleibt zu fragen, warum er z. B. einer Sinfonie über so lange Zeit Aufmerksamkeit schenkt. Mit dem Erkennen des Stücks wäre ja die re-ferentielle Zeichenfunktion erfüllt, alles Weitere hätte keinen Informationswert, wäre redundant. Adorno hätte zur Lösung dieses Problems als einzig angemessene Rezeptionshaltung auf das » strukturelle Hören « verwiesen, das nicht nach einer au-ßermusikalischen Bedeutung sucht, sondern analytisch die Geformtheit der Musik 41 Ebd., S. 30.42 Pinder: Form und Inhalt, S. 226 (s. Anm. 30).