170 Dietrich Helms erklären lässt. Dabei übersieht sie allerdings die Funktionen, die für Hörer – nicht aber für Leser der Partitur – von besonderer Wichtigkeit sind: die phatische, emoti-ve und konative Funktion.Phatische Funktion: Verweise auf den Übertragungskanal Zeichen phatischer Funktion sichern die Kommunikation ab, indem sie den Kontakt zwischen den Kommunikanden herstellen, aufrecht erhalten und beenden. Für das Zustandekommen und Funktionieren von Kommunikation zwischen Hörern und Musikern gehören sie zu den wichtigsten Zeichen. Der Musiker auf der Bühne eines Kunstmusikkonzerts kann während des Spiels die Bedeutungskonstruktionen sei-ner Hörer weder wahrnehmen noch korrigierend das » richtige « Verstehen beein-flussen.50 Während man im Gespräch durch die Antworten beziehungsweise das Anschlussverhalten des Gegenübers Rückschlüsse darauf ziehen kann, ob dieser die Worte so verstanden hat, wie sie gemeint waren und gegebenenfalls Rückfragen stellen oder Zusätzliches erklären kann, nimmt der Musiker auf dem Podium im besten Fall nur den Grad der Aufmerksamkeit seines vielköpfigen Gegenübers im abgedunkelten Saal wahr. Der Hörer im Publikum kann keine Verständnisfragen stellen, sondern ist – zumindest im Kontext eines Konzertes der Kunstmusik – von den kulturellen Riten zur Reg- und Sprachlosigkeit verpflichtet; Sprechen, bezie-hungsweise gar Nachfragen während des Konzerts würde der Musiker als Störung oder gar als Abbruch der Kommunikation werten. Ähnlich geht es dem Musiker, der nur über Tonträger mit seinem Publikum kommuniziert. Mithilfe von Charts und der Höhe seines Einkommens kann er zwar Rückschlüsse auf die Aufmerksam-keit ziehen, die sein Produkt erzielt, nicht jedoch auf die Bedeutungen, die sein Pu-blikum seinen Stücken verleiht. Wenn dem so ist, und wenn man keinen qualitati-ven Erfolg bei den Kunstkritikern anstrebt, reicht es prinzipiell, ein Musikstück zu konstruieren, das vorwiegend aus phatischen Zeichen besteht, d. h. das vor allem Aufmerksamkeit erzielt. Referentialität oder anspruchsvolle Formung sind letztend-lich zweitrangig, wenn die Wirkung von Interesse ist. Phatische Zeichen haben prinzipiell Ähnlichkeit mit poetischen und metasprach-lichen Zeichen. Im Gegensatz zu letzteren müssen sie jedoch so niederschwellig Aufmerksamkeit erzeugen, dass die Kommunikation nicht auf die Metaebene springt. Sie erfüllen ihre Funktion nicht, wenn der Rezipient beginnt, über sie nach-zudenken oder mit anderen darüber zu kommunizieren. Die » Finlandia « ist eine wunderbare Sammlung solcher Zeichen, die hinhören lassen, ohne dass das Be-wusstsein alarmiert würde, die irritieren, aber nicht provozieren, die Spannung hal -ten, ohne Teil des formalen Gerüsts zu sein, die dem Hörer vor allem eines sagen: » Hör zu!« 50 Daher gibt es vor dem Konzert oder der Oper Einführungen, die zu steuern versuchen, was der Hö-rer zu hören hat.