172 Dietrich Helms einem Paukenwirbel gefüllt wird – dem Symbol für Spannung par excellence. Der Abschnitt endet mit Akkorden, die fortissimo und forzato wie weitere Ausrufe-zeichen wirken. Nach einer weiteren Generalpause folgt auf die schweren Akkorde der Blechbläser in tiefer Lage der Kontrast einer von den Oboen getragenen Melodie der Holzbläser in hoher Lage, die wieder nach einer von einem Paukenwirbel über-brückten Pause von den Streichern weitergeführt wird. Der Wechsel von den solisti -schen Bläsern zu den chorisch besetzten Streichern (T. 30) erzeugt im Konzertsaal eine ganz besondere Wirkung. Auch dieser Abschnitt läuft in viele akkordische for-zato-Ausrufezeichen aus und gerät dadurch ins Stocken. Ein gewisser melodischer Fluss setzt erst wieder nach einem pathetischen Aufschwung der Streicher in Takt 52 ein, der diesmal in Kontrasten zwischen vollem Orchester und Holzbläsern mit Hörnern verläuft und schnell ebenfalls wieder ins Stocken (T. 62) über einer Reihe von Ausrufezeichenakkorden gerät. Der Hörer hat sich inzwischen an die aa'b-Struktur des Aufbaus gewöhnt. Daher erwartet er in Takt 70 eine Weiterführung der wiederholten Figur, doch Sibelius überrascht ihn durch eine dritte Wiederholung, die sich von den vorhergehenden nur durch eine aufsteigende Linie in den Bassinstrumenten unterscheidet. Das Stück tritt hier ein wenig auf der Stelle und Sibelius erhöht die Spannung dadurch, dass er die Spitzentöne in T. 62, 66 und 70 durch einen Paukenwirbel betont. Das folgende Allegro moderato setzt abrupt ein. Auf der ersten Schlagzeit wird noch die fallende Oberstimmenlinie des vorhergehenden Teils mit einem c-Moll-Akkord be-endet, der durch den Tempowechsel wie abgerissen wirkt. Darunter beginnen schon die tiefen Bläser und Streicher mit ihrem grummelnden Orgelpunkt und sofort set-zen Trompeten und Posaunen mit einer rhythmischen Salve ein, die um so prägnan-ter und überraschender wirkt, weil im folgenden Takt keine melodische Entwick-lung folgt, sondern nur die Leere des Orgelpunkts. Eine zweite Salve der Blechblä-ser erklingt (T. 76). Die anschließend entstehende Leere ist völlig unberechenbar. Sie dauert nicht nur einen Takt, sondern zögert den Informationsentzug fünf endlose Takte hinaus (T. 77–81), die mit den Erwartungen des Hörers von einem regelmäßi-gen Periodenbau spielen, der vergeblich nach einem, zwei oder vier Takten eine Entspannung erwartet. Das Folgende löst die Spannung nur zum Teil und nur vorübergehend: eine ver-kürzte Version des Sekundfallmotivs vom Anfang wechselt sich zweimal mit der Bläsersalve ab, Holzbläser werden mit Blechbläsern kontrastiert. Es folgt ein eintak-tiger aufwärts führender Wirbel in den Streichern (T. 90) an den sich wieder das Blä-sersignal anschließt. Auch diese Abfolge wird einmal wiederholt, das rhythmische Bläsermotiv kommt in immer schnellerer Abfolge. Doch statt in die Auflösung der Spannung führt dieser Abschnitt in das genaue Gegenteil: eine eintaktige Pause, die nur von dem seit zwanzig Takten rollenden Paukentremolo auf dem Ton es diminu-endo immer weniger gefüllt wird. Die Spannung erreicht einen Höhepunkt und wird erst langsam aufgelöst: Der Allegro-Teil (T. 95) beginnt mit dem bereits oben beschriebenen Lokomotivenmotiv, das abgesehen von seiner möglichen seman-tischen Funktion durch die Unregelmäßigkeit der durch Betonungen deutlich her-