» Von Interesse ist die Wirkung « 179 Konative Zeichen: Verweise auf den Empfänger In der Kommunikation ist es nicht nur wichtig, dass beide Seiten sicherstellen vom jeweiligen Gegenüber verstanden zu werden. In vielen Kommunikationssituationen möchte der eine auch, dass der andere auf seine Mitteilung genauso reagiert, wie gewünscht. Ein barsch vorgetragener Satz wie z. B. » Mach' das Fenster zu!« enthält neben der Aufforderung zu einer Handlung auch noch Zeichen der Macht (in der Betonung, in der Grammatik, im Verzicht auf das » bitte « ), um sicherzustellen, dass sie auch tatsächlich ausgeführt wird. Die Funktion solcher Zeichen, die auf die Be-ziehung des Mitteilenden zum Empfänger der Mitteilung verweisen, bezeichnet Ja-kobson als konativ. In der performten Musik sind solche Zeichen häufig und von di-rekt beobachtbarer Wirkung: Eine Tanzband betont den Rhythmus ihrer Stücke be-sonders, um die Hörer zum Tanzen zu bewegen. Ein Musiker animiert das Publi-kum zum Mitklatschen oder Mitsingen. Marschmusik hat eine konative Funktion, die das Publikum fast unwillkürlich zum Mitmarschieren zwingt.Die Problematik konativer Zeichen in notierter Musik ist vergleichbar mit der emotiver Zeichen. Das » Steh' auf!« , gelesen in einem Roman, wird der Leser kaum auf sich beziehen. Ein Marsch in Noten wird den Leser der Partitur kaum zum Mar-schieren animieren. Auch diese Funktion bleibt auf den performativen Kontext be-schränkt. Der Komponist kann dem Musiker nur zuarbeiten und potentiell konativ funktionierende Stellen schreiben. Wie überzeugend sie dann wirken, bleibt weitge-hend in der Verantwortung des Musikers. Im Konzertsaal der Kunstmusik mit seinem vom Ritual zur Bewegungslosigkeit gezwungenen Publikum können konative Zeichen ohnehin nur auf die Imagination wirken: Der Hörer schwingt oder marschiert im Geiste mit der Musik, steht jedoch nicht auf und schunkelt – es sei denn er besucht das Abschlusskonzert der Londo-ner Promenadenkonzerte, die » Last Night of the Proms « . Der einzige Appell an das Publikum, dessen Wirksamkeit der Musiker eines Kunstmusikkonzerts tatsächlich beobachten kann, ist der der Aufmerksamkeit. An diesem Punkt überschneiden sich die phatische und die konative Funktion in Jakobsons Kategoriensystem. Eine einzige Handlung kann der Musiker der Kunstmusik direkt und beobacht-bar auslösen: den Applaus. So ist eine Schlusskadenz nicht nur ein Zeichen für das Ende der Komposition, quasi der syntaktische Schlusspunkt, sondern – geschickt komponiert – auch ein Appell an das Publikum zu applaudieren. Komponisten er-reichen dieses Ziel vor allem durch Spannungsaufbau, so dass der Applaus wie eine Befreiung wirkt. Beethoven z. B. erreicht das am Ende seiner fünften Symphonie durch eine fast endlos scheinende Reihung von Kadenzformeln, die die Schluss-erwartung immer weiter hinauszögern und steigern. In der » Finlandia « dagegen löst sich die Spannung bereits in der kirchenmusikalischen Würde der hymnischen Melodie, die endlich mit vielen Anstrengungen und (Ent-)Täuschungen aus dem Se-kundmotiv erwächst und im klanglichen Höhepunkt des einzigen längeren Orches-tertutti voller Pathos endet. Das schlichte » Amen « der plagalen Kadenz ist hier der