180 Dietrich Helms Tropfen, der das Fass der gestauten Gefühle und des Bewegungsbedürfnisses wir-kungsvoll zum Überlaufen bringen soll. Metasprachliche Zeichen: Verweise auf den Code Wenn konative Zeichen den Erfolg der Kommunikation sichern sollen, dient die me-tasprachliche Funktion dazu, Verstehen zu sichern. Zeichen mit metasprachlicher Funktion sind solche, die ein Nachfragen nach sich ziehen: » Habe ich dich gerade richtig verstanden?« Wie poetische Zeichen führen sie die Kommunikation von der Objekt- zur Metasprache, in der musikalischen Kommunikation vom Hören von Musik zum Nachdenken über Musik. Die Problematik metasprachlicher Zeichen für den Hörer im Konzertsaal oder an den heimischen Lautsprechern habe ich bereits im Abschnitt zur poetischen Funktion von Kommunikation behandelt: Die Kommu-nikation kommt in der gesprochenen Sprache vom eigentlichen Thema ab, in der Schriftsprache eines Romans z. B. taucht der Leser aus der Verzauberung der darge-stellten fiktiven Welt auf, um in seiner eigenen Alltagswelt über die Bedeutung ei-nes Wortes nachzudenken. Der Musiker in der Probe unterbricht sein Spiel, um die Arbeit entweder des Komponisten oder des Herausgebers der Noten zu hinterfra-gen und mit seinen Mitmusikern bzw. für sich selbst eine Lösung für das Verständ-nisproblem zu finden. Auch den Hörer stört eine nicht verstandene Stelle aus dem Fluss der Wahrnehmung auf, er sucht Erklärungen auf einer anderen Bewusst-seinsebene, indem er über das Gehörte nachdenkt, oder auf einer anderen Ebene der Kommunikation, indem er z. B. mit seinem Sitznachbarn kommuniziert. In beiden Fällen verlagert sich seine Aufmerksamkeit weg von dem, was im Moment von den Musikern gespielt wird. Musik, die provozieren will, die zum Nachdenken anregen will, arbeitet mit Zei-chen, die das miterlebende, unmittelbare Hören unmöglich machen, weil sie den Hörer ständig mit Verständnisproblemen konfrontieren. Verständnisprobleme ent-springen der jeweiligen Bildung, Hörerfahrung und dem Differenzierungsvermö-gen, aber auch der Aufmerksamkeit des individuellen Hörers. In so fern ist schwer einzuschätzen, an welcher Stelle Hörer der » Finlandia « solche Probleme haben könnten. Manche der hier als phatisch wirkend beschriebenen Stellen können durchaus eine so irritierende Wirkung haben, dass sie den Sprung auf die Meta-ebene des Nachdenkens über das Gehörte auslösen. Allerdings gehen Stellen wie z. B. die Dissonanz im forte fortissimo ab T. 193 so aus der Bewegungslogik des Sat-zes hervor, dass sie zwar aufstören, weil sie die Erwartungen täuschen, aber dann doch als organisch aus dem Vorhergehenden erwachsen aufgefasst werden können. Diese Stellen sind zwar auf der Rangliste der Hörerwartungen im Bereich des weni-ger Wahrscheinlichen, sie werden jedoch als durchaus möglich erkannt und lösen daher wohl in der Regel keinen Klärungsbedarf aus. Das Bewusstsein muss nicht alarmiert werden, um die Frage zu klären.