188 Werner Jauk ständnis, zu einem linguistischen Turn geführt – mediale Repräsentanz von Klang wurde durch eine intermediale Transposition 14 mit dem Verständnis der Verschrift-lichung von Musik verquickt – Musik als eine Art Sprache begriffen. Im absoluten Denken hat sich das Medium Schrift verselbständigt. Mit der Verschriftlichung dringt historisches in musikalisches Denken und weiterhin tritt Selbstaffirmierung dieses Verständnisses ein. Historisierend hält historisches Denken diese Ästhetik am Leben, denn ihre Basis ist heute durch neue Medientechnologie verloren gegangen: Auch der Klang kann längst gespeichert werden.15 Damit sollte nach dem Verständ-nis der Mediamorphose 16 eine geänderte Ästhetik und soziale Struktur ihres Le-bensfeldes einhergehen.Medienkunst thematisiert solche Veränderungen durch Medien der Wahrneh-mung auf die Wirklichkeitskonstruktion – die technischen Medien haben die phy-siologische Wahrnehmung erweitert. Dynamische Ereignisse sind nicht nur wahr-nehmbar, sondern auch ihrer Flüchtigkeit enthoben, sie sind speicherbar und rekon-struierbar – generier- wie verstehbar; neu ›verstehbar‹ als dynamischer Fluss und nicht als Serie von abbildenden Momenten des Augenblicks.Das mit der Notation entstandene Werk ist wie die digitale Creation eine Virtua-lität. Der musikalische Code hat sich (im absoluten Werk) vom Vermitteln gelöst. Der digitale Code ist in seiner Immaterialität von jeglicher Beziehung zur Außen-welt frei.17 Für die Gestaltung beider Codes ist der mechanische Körper überflüssig. Beide Virtualitäten haben zur Transgression des mechanischen Körpers geführt, zur Hinwendung zur Alternative, dem hedonischen Körper. Das ästhetische Verhalten des Pop wie der digital culture be›sinnt‹ sich. Originäres Musizieren der Volkskul-tur, seine technische Instrumentarisierung im Pop sind Rückgriffe in der Mediatisie-rung zu unmittelbar über den Körper kommunizierenden Formen, technische Inter-faces greifen damit voraus. Das Setzen von digitaler Musik wird wieder musizie-rend nach der Logik des Hörens gestaltet.Diese technischen Medien machen aus der am Medium Bild orientierten Gestal-tung des Codes für den Klang unmittelbar musizierende Klanggestaltung – eine Ausstrahlung dieses Verhaltens auf die Gestaltung digitaler Welt ist beobachtbar. Damit ist die Dominanz des Sehens dem Hören gewichen.Ist die Kommunikation von Gefühlen bedingt über die Abbildung und deren Verschriftlichung kommunizierbar, so ist Immersion, jene übergeordnete Qualität der Wahrnehmung, die das Sehen vom Hören insgesamt unterscheidet, nur bedingt oder gar nicht abbildbar.14 Vgl. Rajewsky: Im Zeichen der Intermedialität (s. Anm. 8).15 Vgl. Chris Cutler: File Under Popular: Theoretical and Critical Writings on Music, London 1984.16 Vgl. Kurt Blaukopf: Beethovens Erben in der Mediamorphose. Kultur- und Medienpolitik für die elektronische Ära, Heiden 1989; Alfred Smudits: Medientheorie. Mediamorphosen des Kulturschaf-fens und der kulturellen Kommunikation. Ein forschungspolitisches Konzept, in: Drei wissenschaft -liche Beiträge zum 30jährigen Bestehen von MEDIACULT: mediacult.doc 03/00, Kulturpolitik, Me-dientheorie und Musiksoziologie, hrsg. von Robert Harauer, Wien 2002.17 Vgl. Jean-François Lyotard: Immaterialität und Postmoderne, Berlin 1985.