190 Werner Jauk Weil er Musiker sei, sei er Medienkünstler, äußerte sich Nam June Paik bezogen auf die Gestaltung von » VideoTime « .21 Seine Aussage lässt sich erweitern: Weil man Musiker ist, der über Codes das (psychische wie physische) Erleben von Klang ge-staltet, beschäftigt man sich als Medienkünstler mit erlebbaren Virtualitäten. Wie der über Codes gestaltete Klang emotional und körperlich bewegt, so bewegt physi-kalisches Wetter, gemacht aus willentlich gestalteten Codes für Wetter, Partizipien-tInnen im » Klimakonverter « 22 – abseits der verstehbaren Screen-Rezeption.Wahrnehmung & Embodiment und die Ausbildung von imageries. Das Sehen – das Hören Das Sehen bildet Objekte ab, das Hören ihr Verhalten und damit den Bezug zum wahrnehmenden Körper. Dies folgt einer psycho-ökologischen Sicht der Wahrneh-mung.23 Wahrnehmung ist demnach eine (emotional motivierte und darin) inten-dierte Körper-Umwelt-Interaktion (K-U-I). Die Intention liege nach Gibson darin, dass die Interaktion des Körpers mit der Umwelt dem Überleben diene und darin selektiv und emotional bedeutungsvoll sei. Die auditive Wahrnehmung ist somit die physische und psychische Beziehung des mechanisch passiven Körpers zu einer be-wegten Umwelt – die Funktion von Klang in dieser Interaktion ist die emotional bedeutsame Information.Die anthropologische Theorie von Klang als Emotionslaut 24 /als Teil des Emo-tionsverhaltens 25 erklärt den emotionalen Aspekt der Körper-Klang-Koppelung, den hohen immersiven Bezug von Körper und Klang, aus dem Ausdrucksverhalten heraus. Die Funktion von Klang in dieser Interaktion ist die emotional motivierte Kommunikation.Die hohe emotionale Bedeutung des Klanges für den Körper ist demnach aus zu-mindest zwei Interaktionsformen zu erklären, aus Wahrnehmung und Ausdruck. Wahrnehmung ist Körper-Umwelt-Interaktion.26 Aus ihrer Erfahrung resultieren Embodiments, die Verkörperung sensomotorischer Koordinationsleistung, die körperrelevante Ausschnitte der Umwelt adaptiv aufnimmt – diese sind mit Image-ries von Wirklichkeit verbunden. Solche Imageries führen zu bestimmten Denksche-mata, die dann anderen Wahrnehmungen vorgeschaltet sind, die dieserart wirklich-keitskonstruierend wirken.27 21 Vgl. Thomas Kellein / Toni Stooss: Nam June Paik: Video Time, Video Space, New York 1993.22 Vgl. Werner Jauk / Heimo Ranzenbacher: Klimakonverter, in: Unplugged – Art as the Scene of Global Conflicts: Ars Electronica 2002, hrsg. von G. Stocker / C. Schöpf, New York 2002, S. 382–383.23 Vgl. James J. Gibson: Wahrnehmung und Umwelt, München 1982. 24 Vgl. Georg Knepler: Geschichte als Weg zum Musikverständnis. Zur Theorie, Methode und Ge-schichte der Musikgeschichtsschreibung, Leipzig 1977.25 Vgl. John Blacking: Towards an Anthropology of the Body, in: The Anthropology of the Body, hrsg. von dems., London 1977, S. 1–28. 26 Vgl. Gibson: Wahrnehmung und Umwelt (s. Anm. 23).27 Vgl. Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft [1790], in: Werke in sechs Bänden, 5, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Wiesbaden / Frankfurt am Main 1956–64; Klaus Holzkamp: Zur Phonographie der