192 Werner Jauk und bewegt – physikalisch wie psychisch. Bevor Klang zeichenhaft verstehbar wird, erregt er signalhaft.29 Musik ist die kulturelle Überformung des Emotionslautes,30 des Emotionsver-haltens 31 und darin ein Mediatisierungsphänomen,32 die Entfernung von der unmit-telbaren Körperlichkeit.Klang als Teil der Emotion ist signalhaft, als Geste eine Instrumentarisierung (wobei der Körper selbst als Instrument agiert). Die hinweisende Fixierung der Ges-te in dem Neuen, ihre Notation als Melodiekontur in einem zeitlich und räumlich gerasterten System ist die codierte (Re-)Präsentanz 33 der Emotion – motivische Ar-beit ist schließlich die zeichenhafte Arbeit mit Klang.Algorithmische Ästhetiken versuchen dann diese emotionalen Rudimente aus der Musik zu verbannen und die rationale Ordnung des Sehens in entsprechenden semiotischen und linguistischen Modellen auf Musik aufzumappen. Die Begriffe ›Ursatz aus Spannung und Lösung‹ wie ›presentative signs‹ sind theoretische Kunstgriffe zwischen linguistischen (als die Übertragung kausaler Beziehungen me-chanistischen Denkens auf Bedeutung gebende grammatikalische Beziehungs-Systeme von Begriffen) Vorstellungen und semiotischen Konzepten.Führt die Codierung von Musik in Noten zu einer vermeintlich kohärenten Wei-terführung in der Computermusik als (in Algorithmen formalisierte, mechanisti-sche) Reihen-Musik, so bildet Pop die Alternative dazu: Pop ist nicht musikalische Struktur, Pop ist unmittelbar oder technisch instrumentarisiertes, musizierendes Strukturieren aus Spannung-Lösung und ebensolche Rezeption. Darin ist Pop die Avantgarde gegen rationale, idealistische Konzepte. Pop ist eine hedonisch moti-vierte, unmittelbar körperliche Ausdrucksform, deren Instrumentarisierung und (geringe) Mediatisierung durch Technologien zur Steigerung, zur Extension der kör-29 Die Körper-Klang-Koppelung und ihre hoch erregende und damit im Sinne ökologischer Theorien der Körper-Umwelt-Interaktion intentional (vgl. Gibson: Wahrnehmung und Umwelt [s. Anm. 23]), möglicherweise basal (vgl. Hans Jürgen Eysenck: The Biological Basis of Personality, Springfield (IL) 1967) und autopoietisch lebenserhaltende (vgl. Humberto Maturana / Francisco Varela: Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living, Boston 1980) emotionale Qualität thematisiert Para-So-nic (vgl. Werner Jauk: Para-Sonic (1998), in: http://www-gewi.uni-graz.at/grelle.musik/index_ about.html>, letzter Zugriff 21.09.2011). Klang wird in diesem Medienkunstprojekt in Form mechanischer Bewegung dem Körper zugeführt – diese Reizung motiviert zu mechanischen Bewegungen, deren Dekodierung wiederum zur Klanggenerierung führt. Das Konzept Spannung-Lösung wird hier von seinem hochkulturellen Verständnis befreit. Der Verkauf erregungsinduzierender Tools in einer heute übernationalen » Billig Parfümerie « , die » good vibrations « der Musik unmittelbar zu körperlicher Er -regung nutzen, ist im Verein mit einem kulturellen shift hin zu Emotionalität zu sehen. Vgl. Peter Wicke: Sound-Technologien und Körper-Metamorphosen. Das Populäre in der Musik des 20. Jahr-hunderts, in: Rock- und Popmusik, hrsg. von P. Wicke (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 8), Laaber 2001, S. 11–60.30 Vgl. Knepler: Geschichte als Weg zum Musikverständnis (s. Anm. 24).31 Vgl. Blacking: Towards an Anthropology of the Body (s. Anm. 25).32 Vgl. Jauk: pop/musik+medien/kunst (s. Anm. 13).33 Vgl. Susanne K. Langer: Feeling and Form. A Theory of Art Developed from Philosophy in an New Key, London 1953.