194 Werner Jauk gnalhaft erregend und löst entsprechendes adaptives Verhalten aus. Diese direkte signalhafte Reaktion ist ein immersiver Faktor.High Intensity Arts im Umfeld anästhetischer wie antiästhetischer Haltungen 36 sowie eine hedonische Stimulus-Response-Ästhetik spielen gezielt damit. Industrial music, Lou Reeds feedback-piece » Metal-Machine Music « , Glenn Brancas » Volu-mina « an Lautstärke und Dichte und schließlich technoider Sound als Stimulans, von Laptop-Musicians in dekonstruktivistischer Spielart vollführt, indem sie mit dem kleinen Finger Klangmassen bewegen, spielen unmittelbar mit dieser Wahr-nehmungsform. Zugleich verweisen sie in entsprechenden Begleittexten darauf, sie laden also theoretisierend auf. Hohe Lautstärke im Pop ist keine Aufführungsgröße, sie ist ein innermusika-lischer (funktionaler) Parameter. Lautheit ist eine in hoher Dynamikbreite erfahrba-re Spezifität von Klang, die durch visuelle und (zunehmend) olfaktorische Stimuli verstärkt wird; Licht selbst hat diesen Erregungsspielraum in wesentlich gemilder-tem Ausmaß. Während alle Stimuli grundsätzlich durch Intensität erregen, ist Klang darin insofern besonders, als seine Intensität zeitlich analysiert wird und da-bei Intensität in der Zeit erregt. Klang ist zeitlich wahrnehmbare Intensitäts-Bewe-gung, deren Verlauf unsere körperliche Erregung mitzieht.Schließlich ist die Zeitwahrnehmung die Voraussetzung für die auditive Raum-wahrnehmung, die Wahrnehmung von Ereignissen rund um uns bei eigenem Still-stand. Klang trägt nicht nur die Information über seinen Erreger und dessen Loka-lisation, sondern auch über den Transport durch das physikalische Medium Luft in sich – vor allem aber auch den emotionalen Bezug der sich rund um uns bewegen-den Ereignisse.Die Immersion von Intensitätswahrnehmung wird in der zeitlichen Klang- und damit Raumwahrnehmung intensiviert. Das Zusammenspiel der Abtastrate der menschlichen Informationsverarbeitung mit der Übertragungsfrequenz von Licht- und Schallwellen ist für einen basalen Unterschied der visuellen und auditiven Wahrnehmung verantwortlich.Das Sehen ermöglicht die Abbildung des psychologischen Moments im so ge-nannten Augenblick. Das Hören hingegen nimmt Ereignisse in der Zeit und damit Beziehungen der Augenblicke zueinander wahr. Maskierung macht den psychologi-schen Moment prägnant – zum Beispiel maskieren laute Ereignisse leise, Intensität dient als Relationsmerkmal, Summation reiht die (dominanten) Momente zu einem Ereignis in der Zeit, zu einem Intensitäts-Flow. Die Wahrnehmung zeitlich sich erstreckenden Klanges sowie die zeitliche Rei-hung von Klang können unmittelbare körperliche Reaktion hervorrufen: acoustic driving 37 ist der annähernd synchrone Mitzieheffekt, auch der Masse,38 physiolo-gischer Parameter mit der zeitlichen Struktur von Klängen bei gegebener Reagibi-36 Vgl. Wolfgang Welsch: Ästhetisches Denken, Stuttgart 1993.37 Vgl. Gerhart Harrer: Das » Musikerlebnis « im Griff des naturwissenschaftlichen Experiments, in: Grundlagen der Musiktherapie und Musikpsychologie, hrsg. von Gerhart Harrer. Stuttgart 1975,S. 3–47.