232 Thomas Kabisch chisierenden Funktion des Tons fis sowie (c) zweier musikalischer Objekte, eines charakteristischen Akkords und einer Rezitationsformel, an denen Wechsel im Zu-stand des Gesamtsystems hörbar, nachvollziehbar werden. (a) Die Quart-Sekund-Zelle findet vertikal wie horizontal Verwendung und deter-miniert melodische wie harmonische Vorgänge. Kleinste Veränderungen ebenso wie abrupte Wechsel sind in diesem System möglich, ohne dass qualitative Abstufungen oder eine zeitliche Richtung durch die Struktur vorgegeben wären. Unter dem Aspekt der Quart-Sekund-Zelle ist kein Zustand vor dem anderen ausgezeichnet, gibt es keinen Vorgang, der nicht auch umgekehrt verlaufen könnte.(b) Dieses Netz einer Vielzahl möglicher Unterschiede wird profiliert und zeitlich artikuliert durch die besondere Rolle, die der Ton fis spielt. Seine prominente Rolle wird deutlich in der Schlusskadenz (T. 18–23) ausgesprochen. Zuvor ist er das im-plizite Zentrum eines Spiels von Varianten, die sich nur nach und nach als Neben-noten zu fis verständlich machen, also einen Ton einkreisen, der vor der Schluss-kadenz nirgends » befestigt « worden ist. E erscheint als » principal secondary tonic « 99 in T. 11f., als exponierter Repetitionston in T. 18ff., Gis erlangt relative Selb-ständigkeit in T. 6ff. in einem Tonartenfeld zwischen Cis und E. Fis ist Tonika, deren quintverwandte Satelliten dem Lied ein harmonisches Ge-rüst geben (T. 13, T. 21; daneben die Transpositionen/Varianten der Klangfolge des Klaviers T. 1, T. 9, T. 15, 18). Die Tonika fis unterlegt der indifferenten Quart-Sekund-Struktur eine tonale Hierarchie. Aber diese Hierarchie bleibt beschränkt auf die Or-ganisation einer tonartlichen Ordnung im Großen. Sie erfasst nicht den Aufbau und die Verknüpfung der einzelnen Klänge: Klangaufbau und Akkordprogression fol-gen den Prinzipien des strukturellen Quart-Sekund-Systems. So ist zwar das Kla-viervorspiel (T. 1/2) harmonisch-funktional reguliert. Doch mit dem Einsatz der Singstimme wird die funktionale Ebene für drei Takte suspendiert, und das Quart-Sekund-Element bestimmt das musikalische Geschehen auch im Vordergrund. Der Quartzelle a 1–h 1–d 2, motiviert als Fortsetzung des diatonischen Bassmotivs aus T. 1 (Fis–Cis, E–H), wird das Quartelement dis 1 –eis 1 –gis 1 chromatisch entgegengestellt. Der Ton eis, als Undezime zur Zwischendominante auf h eingeführt, fixiert und ak-zentuiert das nicht-funktionale neue Quartelement, das in T. 6 als Akkord mit hin-zugefügter Sext über Gis eine funktionale Deutung und Fortführung erfährt.Die Partie ist stark durch den Gegensatz von Diatonik und Chromatik geprägt. Dieser Gegensatz hierarchisiert in T. 1/2 das Verhältnis von Unterstimme zu Ober-stimmen und profiliert in T. 3/4 die Singstimme gegen das Klaviervorspiel. Doch vor allem dient er dazu, die tieferliegende Differenz von funktional bestimmten zu strukturell bestimmten Partien zur Darstellung zu bringen.100 So wird auch die 99 Berry 1976, S. 142.100 Insofern geht der Hinweis von Wallace Berry auf » chromatic relation in contiguous harmonies […] especially in embellishing successions « und » characteristic resistance to semitonal successions in the voice-leading (reflected in der overall tonal successions F#–E–F#« (Berry 1976, S. 147) an dem Punkt