Musiktheorie und Werkanalyse in Praxissituationen der Musikalischen Erwachsenenbildung Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung Claudia Kayser-Kadereit 1 Einleitung Harmonielehre und Satz- und Stilkunde gelten als elementare Inhalte der Mu-siktheorie, die heute als etabliertes Teilgebiet der Musikwissenschaft angesehen wird. Jedes Musikwerk trägt eine musiktheoretische Struktur in sich, deren Analyse dazu dient, begründbare Interpretationsansätze zu entwickeln. Werkinterpretation wiederum mündet sowohl in den individuellen Ausdruck beim eigenen Musizieren des Werkes als auch in persönliche kognitiv-emotionale Auseinandersetzung, Ur-teilsfindung und Horizonterweiterung im Bemühen um musikalische Bildung.Im Folgenden werden exemplarische Praxissituationen geschildert und erörtert, in denen sich musikalische Laien mit musiktheoretischen und werkanalytischen Fragen klassischer Musik beschäftigen. Bei allen an Musiktheorie interessierten Lai-en sei die Motivation für lebensbegleitendes Musiklernen mit dem Ziel persönlicher Zufriedenheit vorausgesetzt. Diese Beobachtungen erfolgen in dem Bemühen, Er-wartungen und Anforderungen an musikandragogische Vermittlungsprozesse be-züglich musiktheoretischer Inhalte präzisieren zu können. Ziel ist es, Erkenntnisse zu gewinnen, die in den theoretischen Diskurs der Musikandragogik einfließen können, sowie Impulse für das methodische und didaktische Praxisfeld ›Musiktheo-rie‹ der Musikalischen Erwachsenenbildung zu geben.Der Theoriebegriff und das Begriffsverständnis von ›Musiktheorie‹ erfuhren seit der Antike vielfältige Veränderungen. Die erste wissenschaftliche Umschau hielt Hugo Riemann mit seiner » Geschichte der Musiktheorie « (1898), an die das zehn-bändige Werk des Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz Ber-lin (1984f) anschloss.1 ›Die Musiktheorie‹ gibt es folglich nicht. Im Sinne aristote-lischer Eudaimonia unterlag musiktheoretisches Denken der Dialektik von Erfah-rung und Kunstfertigkeit gegenüber der Wissenschaft, wobei man in der Antike eine Entwicklung hin zur Wissenschaft sah, da die (kosmologische) » Theorie – auch 1 Frieder Zaminer (Hrsg.): Geschichte der Musiktheorie, herausgegeben im Auftrag des Staatlichen In-stituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz Berlin, 10 Bände, Darmstadt 1984–1985. Vgl. Frieder Zaminer: Geschichte der Musiktheorie als Forschungsgebiet, in: ders., Geschichte der Mu-siktheorie Bd. 1, S. 2–6.