Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung 251 2 quis – wer?Erwachsenenbildung kennt viele Definitionen, vor allem aus politischen, sozialwis-senschaftlichen und didaktischen Blickwinkeln. Im Folgenden schließe ich mich der gesellschaftspolitischen Definition des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen, die von der Motivation der bildungsinteressierten Person aus-geht, ebenso an, wie dem handlungstheoretischen Verständnis der Gestaltung von Lernangeboten nach Faulstich/Zeuner.8 Die Existenz zweier Lernformen, des insti-tutionalisiert-angeleiteten und des informell-individuellen Lernens ist allgemein ak-zeptiert. Jedoch gibt es konträre erziehungswissenschaftliche Positionen: Die Kon-struktivisten sehen, durchaus unter sozialwissenschaftlichem Einfluss, den Lernen-den als » autopoietisches, selbstreferentielles System « , der » lernfähig, aber unbelehr-bar « sei, so dass der Lehrende das Wissen nicht » erzeuge « , sondern durch passende Lernangebote » ermögliche « .9 Pragmatiker der beruflichen Weiterbildung dagegen sehen strukturelle, systemische Verhältnisse als » Prämissen « des Lernens, die » in Handlungszusammenhänge mit einfließen, von diesen umgestaltet und verändert werden « .10 Das sich beständig wandelnde Bemühen um eine einheitliche Termino-logie und Systematik der erwachsenenbildungswissenschaftlichen Disziplin ent-springt in nicht unerheblichem Maße ihrer heterogenen Beschaffenheit. Auf ein-schlägige Theorieansätze und Konzeptionen der Erwachsenenbildung kann daher an dieser Stelle nur verwiesen werden.11 Grundlegende interdisziplinäre Arbeiten zur Musikalischen Erwachsenenbildung, die Erkenntnisse der Erziehungswissen-schaft mit der Musikpädagogik verbinden, sind trotz der Etablierung beider Berei-che als renommierte Wissenschaften bisher nicht zufriedenstellend erfolgt. Nach ersten Bemühungen in den 1920er und 1980er Jahren 12 ist angesichts der aktuellen 8 Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen: Gutachten » Zur Situation und Aufga -be der deutschen Erwachsenenbildung « 1960, in: Volkshochschule, hrsg. vom Deutschen Volkshoch-schulverband, Stuttgart 1961, S. 389f.: » Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildung wird jeder, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln « .; Peter Faulstich / Christine Zeuner: Erwachsenenbildung, Weinheim und Basel 2010, S. 18: » Erwachsenenbildung wird […] begriffen als ein Handeln zur Gestaltung von Lernangeboten. Dabei genießt die Aneignung von Themen durch die Lernenden, ausgehend von ih -ren Interessen, Priorität. Die Vermittlung zwischen Lerninteressen und Lernthemen ist die Hauptauf -gabe der Lehrenden « .9 Hier sind vor allem Horst Siebert und Rolf Arnold zu nennen. Rolf Arnold: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht, Neuwied u. a., 2. Aufl. 1997, S. 21.10 Namhafte Vertreter einer kritisch-pragmatischen Konzeption sind z. B. Peter Faulstich und Jost Reischmann. Faulstich/Zeuner: Erwachsenenbildung, S. 17 (s. Anm. 8).11 Einen tabellarischen Überblick vermittelt Jürgen Wittpoth: Einführung in die Erwachsenenbildung, Opladen 2009, S. 39.12 Nachdem sich Leo Kestenberg für die Musikpflege im außerschulischen Bereich ausgesprochen hat (Leo Kestenberg: Musikerziehung und Musikpflege, Leipzig 1921), greifen vor allem Reformpädago-gen der Weimarer Republik und Musikpädagogen der Jugendbewegung das angeleitete Musizieren erwachsener Laien auf (Fritz Jöde, Walther Hensel, Hilmar Höckner, August Halm u. a.). Mit dem Themenheft von Michael Müller-Blattau (Hrsg.): Musikalische Erwachsenenbildung an der Volks-hochschule, Bonn 1978 und dem Tagungsband von Gert Holtmeyer: Musikalische Erwachsenenbil-dung, Regensburg 1989 wird das Thema wieder aufgegriffen.