Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung 253 analysen verwiesen sei. Ziel jeglicher musiktheoretischer Werkanalyse ist ein ver-tieftes Verständnis von Aufbau, Form und kompositorischer Binnenstruktur, die sich dem Hörer im unmittelbaren Erleben nicht zwangsläufig erschließt. Aus kogni-tiv gewonnenen Erkenntnissen können ein größerer ästhetischer und emotionaler Genuss sowie ein sich systematisierendes Verstehen musikalischer Komplexität ent-stehen. Dabei wird der Verstehensbegriff entweder als » seelische Resonanz, als Ein-sicht, intuitive Aufnahme der in den Tönen verschlüsselten Botschaft, zum anderen als kognitive Aneignung durch die Ratio « definiert, was nach Karbusicky eher dem heute üblichen semantischen Wortfeld entspreche.19 Dieses kognitive Vorgehen der Analyse definiert Bruhn als » Beschreibung von Musik « , indem » man ein Musik-stück in seine erklingenden Bestandteile zerlegt und sie dann nach verschiedenen Kriterien beurteilt und zueinander in Beziehung setzt « .20 Ab dem 18. Jahrhundert erfolgt dies auch für den bürgerlichen Amateurmusiker, Hausmusiker und Konzert-besucher, bevor die Analyse im 19. Jahrhundert zu einem » Maßsystem für Objek-tivität und ein ästhetisches Urteil « sowie zum Gegenstand musikwissenschaftlicher Betrachtungen wurde.21 4 ubi – quo? / quando – wann? Reflektierte Musikalische Erwachsenenbildung findet formell (institutionell angelei-tet) und informell (individuell autodidaktisch) in theoretischen und praktischen Kontexten, regelmäßig oder punktuell, regional oder überregional statt. Alle Ni-veaustufen vom Anfänger bis zur professionellen Kompetenz sind denkbar, die ak-tiv handelnd oder rezipierend, allein oder in Gruppen am Geschehen teilnehmen. Die Zielgruppe eines Lernangebotes kann ein gefestigtes soziales Gefüge sein oder aus wechselnden, einander fremden Personen bestehen. Der zeitliche und örtliche Rahmen richtet sich nach den jeweiligen Gegebenheiten und unterliegt allenfalls in-stitutionellen Vorgaben von z. B. Musikschulen, Musikvereinen, Volkshochschulen, Universitätsprogrammen und freien Kursanbietern. Die Inhalte eines institutionellen Lernangebotes werden in Form von Ausschrei-bungen benannt und wenden sich an klar definierte Zielgruppen. Über Zeit, Um-fang, Ort und Kosten entscheidet dabei die Organisationsleitung. Als beispielhaft und weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegend sei an dieser Stelle auf das Angebot der VHS Hamburg-Ost verwiesen, die ein traditionell breit gefächertes, Musiktheorie und Musikpraxis berücksichtigendes Kursangebot bereithält.22 So bot 18 Hermann Beck: Methoden der Werkanalyse in Musikgeschichte und Gegenwart, Wilhelmshaven 1974.19 Vladimir Karbusicky: Systematische Musikwissenschaft. Eine Einführung in Grundbegriffe, Metho-den und Arbeitstechniken, München 1979, S. 187.20 Bruhn, Herbert: Analyse, in: Musikwissenschaft. Ein Grundkurs, hrsg. von Herbert Bruhn und Hel -mut Rösing, Reinbek 1998, S. 495.21 Ebd., S. 494. 22 http://www.vhs-hamburg.de/ueber-uns/regionen/zentren/ost-38 > Kurse > Kultur > Musik, letzter Zugriff 1.1.2012.