Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung 259 7.2 Musikdidaktische Modelle In schulischen und außerschulischen Musikvermittlungskonzepten nach 1945 haben musiktheoretische Inhalte eine unterschiedliche Gewichtung erfahren, wurden aber nie wirklich in Frage gestellt. Besonders in der analytisch-hermeneutisch geprägten Fachdidaktik der 1960er von Alt 45 und den Konzepten der daraus zum Schüler her-zustellenden Beziehungen der 1970er Jahre von Ehrenforth und Richter,46 die sich am Kunstwerk und an wissenschaftspropädeutischen Kriterien orientierten, spielt die Musiktheorie eine zentrale Rolle. Hier standen die kognitive Begegnung und die Durchdringung der strukturellen Bedeutung des (klassischen) Kunstwerks im Zen-trum von schulischem Musikunterricht, woran sich auch das Kursangebot der Er-wachsenenbildung in seinem musikwissenschaftlichen Angebot orientierte. Aber auch zeitgleiche und anschließende Konzepte des » curricularen Aufbruchs « mit den Leitideen der Handlungsorientierung (Rauhe/Reinecke/Ripke 1975 47 ), des Musikhö-rens (Venus 1969 48 ), der polyästhetischen Erziehung (Roscher 1976 49 ) oder der er-fahrungserschließenden Musikerziehung (Nykrin 1978 50 ) behalten musiktheore-tische Inhalte und Lernziele im Blick. Diese sollen allerdings methodisch auf ande-ren Wegen erreicht werden, indem die Schüler sie durch eigenes Tun, etwa auf dem Instrument, im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen. Auch eine der ersten Formen des Klassenmusizierens, das Arbeiten mit Keyboards im Klassensatz,51 konzentrier-te sich auf Werkanalyse. Der Gestaltungsfreiheit innerhalb polyästhetischer oder wahrnehmungsorientierter Ansätze wurde zwar mehr Gewicht gegeben, musik-theoretische Inhalte fehlten aber zu keiner Zeit in den Lehrplänen oder den curricu-laren Vorgaben. Nach der Wiedervereinigung und um die Jahrtausendwende gab es Versuche, erneut eine » Einheit in der Vielfalt « zu finden (Olias, konnexionistische Musikdidaktik 1993 52 ) und diese in eine die Persönlichkeitsentwicklung begleitende Struktur zu bringen (Jank, 2005; Fuchs, 2010).53 Zudem bieten elektronische Medien 45 Michael Alt: Didaktik der Musik, Düsseldorf 1968.46 Karl Heinrich Ehrenforth: Verstehen und Auslegen. Die hermeneutischen Grundlagen einer Lehre von der didaktischen Interpretation von Musik, Frankfurt a. M. 1971; Christoph Richter: Theorie und Praxis der didaktischen Interpretation von Musik, Frankfurt a. M. 1976.47 Hermann Rauhe, Hans Peter Reinecke, Wilfried Ribke: Hören und Verstehen. Theorie und Praxis handlungsorientierten Musikunterrichts, München 1975.48 Dankmar Venus: Unterweisung im Musikhören, Wuppertal 1969.49 Wolfgang Roscher: Polyästhetische Erziehung. Klänge, Texte, Bilder, Szenen, Köln 1976.50 Rudolf Nykrin: Erfahrungserschließende Musikerziehung. Konzept – Argumente – Bilder, Regens-burg 1978.51 Das didaktische Credo lautete zunächst: » Wir lehren nicht das Tasteninstrument, sondern wir lehren musikalische Grundlagen durch das Tasteninstrument « (Schmidt-Köngernheim 1984, zitiert und kri -tisch beleuchtet bei: Heinz Meyer: Keyboards im Musikunterricht – Erfahrungen, Beobachtungen, Konsequenzen, in: Perspektiven schulischer Musikerziehung in den 90er Jahren, hrsg. von Reinhard Schneider, Regensburg 1991, S. 125–132, hier S. 127f.52 Günter Olias: Musikvermittlung als Konnexionismus – Aspekte der musikdidaktischen Ausbildung, in: Musikvermittlung als Beruf, hrsg. von Marie Luise Schulten, Essen 1993, S. 131–142.53 Werner Jank (Hrsg.): Musikdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2005; Mechthild Fuchs: Musik in der Grundschule neu denken – neu gestalten. Theorie und Praxis eines aufbauenden Musikunterrichts, Rum/Innsbruck 2010.