Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung 261 emphatisch-subjektive und zulassende, sowie handlungsorientierte und erfahrungs-erschließende Aspekte im Vordergrund stehen. Hinsichtlich der Musiktheorie bietet die jedem Sänger vorliegende Chorpartitur für den Chorleiter jedoch beste Möglichkeiten, harmonische und formanalytische Aspekte in einem dem Interesse des Chores angemessenen Verhältnis zu thematisie-ren. Hilfreich ist es, wenn der Chorleiter angesprochene Sachverhalte sogleich am Klavier darstellen kann, so dass sich optische und akustische Eindrücke unmittelbar verbinden und die Textaussagen mit den (neu) erkannten musikalischen Parame-tern abgeglichen und gestaltet werden müssen. Dies kann zu einer neuen emotiona-len Facette beim Einzelnen führen, wenn sie subjektiv zugelassen wird. Stimmtech-nischer und interpretatorischer Ausdruck können in der Folge textgebunden und / oder aufgrund des Verständnisses musiktheoretischer Gegebenheiten von kla-rem Gestaltungswillen des Sängers getragen sein. Methodisch denkbar ist auch die grafische Anreicherung der Chorpartitur mit entsprechenden Hinweisen oder durch vereinfachte Darstellung komplexerer Struk-turen, wobei z. B. das harmonische Gerüst optisch verdeutlicht wird. Im folgenden Beispiel kann der Fugenbeginn in Mendelssohns Choral-Kantate » Ach Gott, vom Himmel sieh darein « – so aufbereitet – sowohl in seinem harmonischen Ablauf als auch im formalen Aufbau besser nachvollzogen werden, als in der gedruckten Chor- oder Orchesterpartitur. Optisch ausgeblendet werden im Particell der gesam-te Orchestersatz sowie der Text.Rhythmische Vereinfachung und grafische Hilfestellung (Themeneinsätze und Themenklammern, Akkordsymbole, Artikulationszeichen) leiten den Sänger zu den entscheidenden musiktheoretischen Details. Hat er dies verstanden und sich kogni-tiv und auditiv mit dem Abschnitt vertraut gemacht, wird er möglicherweise selbst-ständige Transferleistungen vollbringen können, indem er Passagen im weiteren Verlauf in derselben Weise, aber ohne optische Anleitung mittels Analogiebildung zu erfassen vermag. Sicher ist es nicht praktikabel, ganze Chorwerke in einer derart bearbeiteten Fassung zur Arbeitsgrundlage der Chorproben zu machen, aber in die-se eingeflochtene, musiktheoretische Erläuterungen, die entsprechend visualisiert werden, sind ein reizvolles Angebot an den interessierten Sänger, sich mithilfe die-ser Anleitung weiterhin mit dem Werk zu beschäftigen.und Strophen noch zu erinnern, wenn die sonstige Realität nicht mehr wahrgenommen wird. Vgl. hierzu Dorothea Muthesius: Wer wohl am besten sänge: Pflege und Musiktherapie im Streit um die besten Konzepte, in: Gembris, Musik im Alter, S. 253–264, hier S. 256 (s. Anm. 13).