Musiktheorie und Werkanalyse in der Musikalischen Erwachsenenbildung 265 7.3.2 Beispiel: Orchester Die überwiegende Motivation von Laienmusikern für das Orchesterspiel ist das Ziel einer seelischen » Befriedigung, die […] aktives Musizieren zu bescheren vermag « .57 Praktisches und kognitives Tun müssen daher im Orchester in einem für das jewei-lige Ensemble angemessenen Verhältnis stehen, denn » Teilnehmer wollen grund-sätzlich spielen und keine Vorträge hören « . Dennoch sollte sich aus der Perspektive eines Orchesterleiters (Beispiel: VHS) » der Kursinhalt nicht nur auf das Einstudie-ren von Werken beschränken « . Auch historische und gesellschaftliche Hintergründe der Komposition sollten einfließen, aus denen die Teilnehmer » Hilfen zur Analyse und Bewertung bekommen und auch mit Vergleichen zu anderen Künsten, etwa Malerei oder Dichtung, konfrontiert werden « .58 Augenfällig wird dies im harmoni-schen Ideal barocker Formprinzipien, die über die Grenzen einzelner Kunstgattun-gen hinweg gesamtgestalterisch gedacht werden, so z. B. in englischer Garten- und Landschaftsarchitektur,59 in der planmäßigen Gestaltung von Gegensätzen, der pro-portionalen konvexen oder konkaven Auflösung strenger Formen, oder in periodi-schem Satzbau und konsonanzbestimmter Generalbasstechnik Händelscher Suiten. Proportionale Anlage, strophische Gestaltung oder wiederkehrendes Versmaß las-sen sich als einzelne Parameter assoziativ aus visuell erlebbaren oder vertrauten Kunstwerken auf musikalische Formen anwenden und als Baustein eines Ganzen identifizieren. Eine Facette, die die Faszination Orchesterspiel ausmacht, ist die schrittweise Erkenntnis in den Proben, dass die eigene Orchesterstimme, die sich optisch und akustisch beim isolierten häuslichen Üben als unattraktiv, da zusam-menhanglos, erweist, zunehmend an individueller Bedeutung und Sinnhaftigkeit im Gesamtwerk gewinnt. Folglich sind bei einer musikandragogischen Synopse innerhalb der unter 7.3 ta-bellarisch aufgeführten acht Modelle im Laiensinfonieorchester konstruktivistische und kritisch-pragmatische Parameter im Verbund mit handlungsorientierten und konnexionistischen Merkmalen von besonderer Bedeutung. Eine orchesterpädagogische Aufgabe des Dirigenten ist es folglich, durch verbale Erläuterungen und geschickte Einzelschritte in der Probe eben nicht nur spieltechni-sche und klangliche Qualitäten zu erarbeiten, sondern auch ein Verständnis für den harmonischen und formalen Aufbau des Werks aus der Binnenstruktur der Einzel-stimmen heraus zu entwickeln.60 Darüber hinaus wäre es ideal, den Orchesterspie-lern für das häusliche Üben und während der Probe einen didaktisch aufbereiteten Einblick in die Partitur zu ermöglichen, um musiktheoretische Aspekte audio-visuell 57 Peter Röbke: Lieblingsstücke im Instrumentalunterricht, in: Helmuth Figdor und Peter Röbke: Das Musizieren und die Gefühle. Instrumentalpädagogik und Psychoanalyse im Dialog (= Studienbuch Musik Schott ED 8736), Mainz 2008, S. 59–67, hier S. 59.58 Wulf Hilbert: Das Orchester an der Volkshochschule, in: Musikalische Erwachsenenbildung an der Volkshochschule (Pädagogische Arbeitsstelle Deutscher Volkshochschul-Verband), hrsg. von Michael Müller Blattau, Frankfurt a. M. 1987, S. 24–32, hier S. 27. 59 Albert: Harmonie, S. 10 (s. Anm. 4).60 Kayser-Kadereit: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit, S. 153–166 (s. Anm. 55).