274 Claudia Kayser-Kadereit Musik « , das ähnlich der Wahrnehmung von Kipp-Bildern im konstruktivistischen Sinne zu akzeptieren ist, bis hin zur reflektierten Analyse anhand von » Mustervor-lagen zum Formaufbau nach dem Gehör « eröffnen kann.76 Über den pragmatisch-didaktischen Umgang mit diesem polarisierenden Lernfeld zwischen » Musik als Wirkungs- und Konstruktionspotential « 77 hinaus sind die Grenzen der rein hören-den musiktheoretischen Analyse bei musikalischen Laien in der Regel bald erreicht. Komplexe satztechnische Strukturen lassen sich dann doch nur über das Schriftbild und die entsprechende theoretische Durchdringung vermitteln. Die Gefahr, dass die Erkenntnis bleibt, in die wirklichen » Finessen und Geheimnisse « 78 nicht eindringen zu können, die der Kursleiter aber gleich einem Hexenmeister zu beherrschen scheint, ist allerdings groß und kann Frustpotential aufbauen. Die andragogische Aufgabe liegt somit vor allem in der Entmystifizierung vor allem harmonischer Strukturen. Eine transparente Modularisierung der drei Lernfelder Notenlesen-Skalen-mathematischer Aufbau von Dreiklangsstrukturen, die audio-visuell durch Notenbild (» Sichthilfen « 79 ) und Klang zu erfassen sind, kann und muss zunächst klarstellen, dass man Harmonielehre als abstraktes, auf Zahlenreihen basierendes Schema lernen kann, und dies keiner besonderen Musikalität oder Begabung be-darf. Die musikandragogischen Schwerpunkte dieses musiktheoretischen Kernge-bietes liegen somit vorwiegend in der Verknüpfung des hermeneutischen Ansatzes mit konstruktivistischen und kritisch-pragmatischen Bezugspunkten.7.3.6 Beispiel: Klassische Instrumentation Ein Angebot zum Hören, Kennenlernen und Gespräch, das sich klassischen Orches-terwerken widmet, wobei die Klangfarben und Kombinationen der Orchesterinstru-mente und nicht die Formanalyse oder Komponistenbiographie im Vordergrund stehen, richtet sich in der Regel an Teilnehmer, die gerne Konzerte besuchen oder sich privat an Einspielungen auf Tonträgern erfreuen, selten aber Erfahrung im Le-sen einer Orchesterpartitur haben.80 Die Motivationen, einen solchen Kurs an 3–8 Abenden zu besuchen, reichen von eigenen Erfahrungen als Laienorchesterspieler über Klavierspieler mit Interesse an sinfonischer Musik bis zu Musikliebhabern mit Offenheit für neue Erkenntnisse auf einem musikalischen Gebiet, das sie eher bis ausschließlich rezeptiv erlebt haben. Hierzu bietet sich ein methodischer Ansatz an, wie ihn Peter Jost zu Studienzwecken konzipiert hat, da eine eher systematische als historische Aufbereitung, die » prinzipiell auf die Nacherzählung geschichtlicher 76 Gerhard Pätzig: Möglichkeiten und Grenzen des aktiven Hörens von musikalischen Kunstwerken – ohne Noten und Musiktheorie (Ein Kurskonzept) [1987], in: Müller-Blattau: Musikalische Erwachse -nenbildung an der Volkshochschule, S. 70–77 (s. Anm. 58).77 Ebd., S. 71.78 Ebd., S. 76.79 Ebd., S. 76.80 Vgl. z. B. Ausschreibungen und Kursangebote der Kollegen Peter Harbaum, Wulf Hilbert und der Autorin unter www.fmeev.de seit 2009 und http://www.vhs-hamburg.de/aktuelles/news-aus-der-vhs Suchbegriff » Musik « und weitere Menüpunkte (letzter Zugriff 1.1.2012).