310 Christoph Louven Neben der Funktion einer gebündelten Darstellung des Grundmaterials der Tonhö-henorganisation wirkt die Corona auch als ein in den ersten Teil der Sinfonie einge-bettetes formales Gegenkonzept, als formale Antithese, da sie alle bisher gültigen Prinzipien konterkariert: die einzelnen Abschnitte sind nicht charakterlich differen-ziert, sondern gehen unmerklich ineinander über; die Strenge der Tempo- und Me-trumzuordnung ist aufgehoben. Gerade hier offenbart sich eine weitere Ebene: Ver-steht man die verschiedenen simultanen Tempobezeichnungen nicht als Versuch, den Eindruck einer Art Poly-Tempo zu erzeugen, sondern als die differenzierte Be-schreibung von Grundcharakteren, verlagert sich damit die bisher blockhaft ge-trennte Darstellung jeweils eines Charakters ins Simultane: mehrere Charaktere überlagern sich und gehen ineinander über. Auch dies stellt die Prinzipien des übri-gen Teils auf den Kopf.3.2.5 Block 26 bis 39 Der an die Corona anschließende Abschnitt kehrt wieder zu den bekannten Prinzi-pien einer deutlichen Abgrenzung von Einzelcharakteren in Blöcken zurück. Henze verwendet in den Blöcken 26 bis 36 nahezu ausschließlich Material aus I und IV, das auf die bereits bekannte Weise variativ verändert wird. Stellt man die Bezüge wie-der in einer Übersicht zusammen, ergibt sich folgendes Bild:26: lyrische Grundstimmung erinnert an IV; Hauptstimme im Tenorsaxophon T. 255–257 ist i. w. Krebs der Linie von Flöte und Tenorsaxophon zu Beginn von Block 11. Bezeichnung IV3; 27: ausdifferenzierte schnelle Tonwiederholungen als Kombination von Ia und Ie, dazu Triller als Klangflächenelemente: Ia,c,e; 28: Gestus in der Oboe weist eindeutig auf Material IV; bezogen auf IV3 v. a. durch gemeinsame Gitarre: IV3' ; 29: beginnt mit ausdifferenzierten schnellen Tonwiederholungen wie Block 27, jedoch fehlen die Trillerelemente, dafür setzen sich weite melodische Linien durch (als Umkehrungskanon Fl., Viol. Orch. 1/Sax., Hörner Orch. 2); das me-lodische Element wirkt als Eindringen des IV-Materials in I-Grundschicht: (Ia,e IV); 30: melodische Linien aus IV3' werden langsam zersplittert, damit wird ein Charakteristikum aus IV allmählich aufgelöst; dazu Eindringen von Klangflä-chen-Material Ic durch Liegetöne und Tremoli in den Bratschen: (IV3''Ic ); 31: Sextolen in den Bläsern stammen aus IV2 (S. 25), Klangfläche in Bratschen aus Ic; Hauptstimme im Cello ab T. 320 wiederholt nahezu wörtlich die Linie