324 Reinhold Mokrosch Anerkennung und Ehre ohne jegliche Vermischung mit menschlicher Kultur und menschlicher Sozialität. Beides sei unter Thron und Altar verhängnisvoll vermischt worden und müsse im religiösen Denken und in religiöser Praxis, so Barth, streng unterschieden, ja getrennt werden. – Es mag sein, dass Bonhoeffer sich solcher radi -kalen theologischen Trennung zwischen Gott und Welt angeschlossen hatte. Dass er sie aber auf Bach (sakrales Gotteslob) und Beethoven (profanes Menschenlob) über-trug, halte ich für unselig. Das widersprach auch seiner späteren Kritik an jeder Trennung zwischen sakraler und profaner Wirklichkeit, weil er überzeugt war, dass es nur eine Wirklichkeit geben würde. Dennoch: Es ist wohl Karl Barths Dialek-tische Theologie gewesen, die ihn zu solcher Trennung und nur für Schütz und Bach Partei zu ergreifen bewogen hatte. Er war überzeugt, dass Musik in Gottes-dienst und Kirche » das Unbegreifliche des Wortes Gottes verdeutlichen solle « ;19 und dazu seien eben nur Schütz und Bach fähig.Das änderte sich, als er als Direktor des illegalen Predigerseminars der Beken-nenden Kirche in Finkenwalde 1935–1937 seinen begeisterten Vikaren Beethoven, Chopin und Brahms vorspielte.20 Er hatte auch dorthin seinen Bechstein-Flügel mit-genommen. Und da sich im Predigerseminar noch ein weiterer Flügel befand, konn-te er mit einem Vikar Bach-Konzerte auf zwei Flügeln spielen. Schütz, Schein, Scheidt und Bach spielten also weiterhin eine große Rolle für ihn, nicht aber mehr in der dualistischen Entgegensetzung zu Beethoven, Chopin, Brahms und Strauß. 1940 ging es ihm darum, dass Musik nicht ihrer Schönheit, sondern ihrer Wahr -heit wegen geschätzt werden solle. Nur » verleugnete Schönheit – um Christi willen « sei wirkliche Schönheit, behauptete er im März 1940.21 Er kritisierte jetzt massiv die bildungsbürgerliche Musikrezeption, welche in der Musik allein Schön-heit, nicht aber Ringen um Wahrheit suche. » Sind es nicht jene Gebildeten « , klagte er in dem zitierten Brief, » die sich auf Geschmack [Schönheit] und anderes mehr verstehen, die in eine so erschütternde innere Haltlosigkeit hineingeraten sind, dass sie zu den einfachen Taten der hingebenden Liebe und des betenden Tuns nur noch in sehr seltenen Fällen fähig sind?« 22 Er kritisierte eine bürgerliche Musikrezeption, welche die Augen vor den Grau-en des Nazi-Unrechts verschloss und sich allein der » Schönheit der Musik « ver-schrieb. Das führte auch dazu, dass er Richard Strauss und Hans Pfitzner kritisierte und ablehnte, weil er bei beiden Komponisten » eine kulinarische Übersteigerung « des Schönen und Leidenschaftlichen argwöhnte.23 Sicherlich sind solche globalen Ablehnungen Folgen von Vorurteilen gewesen; aber sie dokumentieren, dass Bon-hoeffer » schöne Musik « in der grauenhaften Welt der Nazis nicht ertrug. 19 Aus: Dietrich Bonhoeffer: Gemeinsames Leben 1939, DBW S. 50f.20 Vgl. DB, S. 492. 614 (s. Anm. 3).21 Vgl. seinen Brief an Ruth Roberta Stahlberg vom 23.3.1940, DBW 16, S. 21; zitiert nach Pangritz: Poly-phonie des Lebens, S. 16 (s. Anm. 4).22 Ebd., S. 22.23 Vgl. Pangritz: Polyphonie des Lebens, S. 19 (s. Anm. 4) und DB, S. 952 (s. Anm. 3).