326 Reinhold Mokrosch vielen Unbekannten schreiben, die am Leben und Sterben Ihres Mannes und nun an Ihrem Schmerz tiefen Anteil nehmen.Vorgestern hörte ich die musikalischen Exequien, die er selbst aufführen woll -te und die nun seinen Tod beklagten und alle um ihn Betrübten trösteten. Als der Chor von der Ruhe der Toten von ihrer Arbeit und vom Frieden der Ge-rechten, die in Gottes Hand sind, sang, da war es wie eine Bitte der Lebenden für den Toten und wie ein Segen des Toten für die Lebenden, der alle Selbst -anklagen zum Schweigen bringt und den Sinn auf das Letzte ausrichtet. Wer um das Lebenswerk und den Tod Ihres Mannes weiß, der wird bei seinen Ge-danken über Gegenwart und Zukunft nicht mehr daran vorbeikommen. Der Gedanke an den Frieden und die Ruhe, die er sich durch so tiefe Dunkelheit hindurch erobert hat und wohl nur noch so erobern konnte, möge unsere Her-zen festigen und uns dazu auffordern, den Menschen um uns herum schon auf dieser Erde zu dem Frieden und der Ruhe zu verhelfen, die im Kreuz und in der Heiligen Schrift allein zu finden sind.In ehrerbietiger Teilnahme grüßt Sie Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer.25 Aus den Zeilen geht deutlich hervor, dass der Attentats-Konspirateur Bonhoeffer, der täglich mit seiner Gefangennahme und seinem Tod rechnen musste, ein tiefes, vertrautes Verhältnis zum Tod, wahrscheinlich auch zu seinem eigenen Tod, aufge-baut hatte. Tod bedeutete für ihn, » Frieden und Ruhe in Gottes Hand « zu erleben. Aber dieses Todesverständnis enthielt für ihn auch die Aufforderung, dass die Le-benden bereits im Leben für Frieden und Ruhe kämpfen müssten. Und diese beiden Gedanken hörte er aus Heinrich Schütz' » Exequien « (bzw. Requiem) heraus. Schüt-zens Komposition brachte für ihn den Frieden im Tod und den möglichen Frieden in der grauenhaften Todeswelt, d. h. m. E. das Geistige im Realen zum Ausdruck. Für ihn konnte nur Musik – in diesem Fall die Musik von Schütz – verständlich ma-chen, dass Frieden mitten im Unfrieden möglich sei, ja vielleicht sogar verborgen herrsche. Frieden sei möglich – davon war er überzeugt und er überzeugte sich da-von immer wieder am Klavier.6 » Die (auch vom tauben Beethoven) mit innerem Ohr gehörte Musik […] kann fast schöner sein als die physisch gehörte.« Äußerungen aus der Haft (1943–1945)Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer verhaftet und in einer stinkenden Iso-lierzelle des Wehrmachtsgefängnisses Berlin-Tegel eingepfercht. Aufgrund seiner eindrucksvollen Persönlichkeit und seiner Beziehungen zu seinem Onkel, dem Ber-liner Stadtkommandanten Paul von Hase, war es ihm aber möglich, Briefe und Auf-zeichnungen aus seiner Haft heraus schmuggeln zu lassen. Allerdings endete diese 25 DBW XVI, S. 368f. (s. Anm. 2).