330 Reinhold Mokrosch Es sind nur einige wenige Stücke, die ich so kenne, dass ich sie von innen her hören kann. […] Die Musik des tauben Beethoven wird mir existentiell ver-ständlicher, besonders gehört für mich dahin der große Variationssatz aus op. 111:Und er schloss noch ein paar Gedanken an, warum Beethoven für diese letzte Sona-te nur zwei statt drei Sätze komponiert hat. Auch Beethoven hatte einen » neuen Leib « geschaffen, weil er eben nur noch mit dem inneren Ohr hören konnte. Diese Parallele zu Beethoven gab ihm Trost und Hoffnung, genauso wie die Parallele zu Heinrich Schütz im 30-jährigen Krieg.Schluss: » Polyphonie der Musik – Polyphonie des Lebens « Andreas Pangritz stellt am Schluss seines o. g. Büchleins noch eine Äußerung des gefangenen Bonhoeffer in den Mittelpunkt, die ich hier zum Schluss wiederholen möchte:38 In seinen » Gedanken zum Tauftag von Dietrich Wilhelm Rüdiger Bethge « vom 5. Mai 1944 komme Bonhoeffer, so Pangritz, von der » Polyphonie der Musik « auf die » Polyphonie des Lebens « zu sprechen. Wie in der Musik zu einem cantus firmus verschiedene andere Stimmen als Kontrapunkt erklingen würden, so müss-ten nach Bonhoeffer auch im Leben verschiedene Stimmen wie z. B. Freude und Schmerz, Hoffnung und Resignation o. a. kontrapunktisch zum cantus firmus der Liebe oder des Lebens selbst akzeptiert werden. Das Leben sei, so Bonhoeffer, poly-phon wie die (polyphone) Musik. Es steht für mich außer Frage: Musik, insbesondere die selbst ausgeübte Klavier-musik, haben Dietrich Bonhoeffers Widerstand und seine Theologie und Ethik ge-prägt, ja überhaupt erst ermöglicht. Diese Einsicht ist in der Bonhoeffer-Forschung bisher viel zu kurz gekommen. 38 Pangritz: Polyphonie des Lebens, S. 71–73 (s. Anm. 4).