334 Bernhard Müßgens zu werden, und zwar parietal und inferotemporal. Personen, bei denen dieses durch negativen Affekt aktivierte System dominiert, finden garantiert » in jeder Sup-pe ein Haar « . Selbstwachstum und Persönlichkeitsentwicklung erfordern daher eine fortwährende Interaktion zwischen der Objekterkennung (d. h. dem Fokussieren auf neue, schmerzliche Erfahrung) und der Selbstintegration (dem An-sich-Heran-lassen solcher Erfahrungen).Die Regulation von Angst, Schmerz und Trauer einerseits und Trost und Selbst-beruhigung andererseits ermöglicht diesen Zugang zum Selbst. Der Wechsel zwi-schen dem Aushalten von negativem Affekt (anstatt unangenehme Erfahrungen zu verdrängen) und der Herabregulierung unangenehmer Gefühle bei Selbstkontakt (durch Sinnstiftung oder Bewältigungshandlungen) fördert die Persönlichkeit. Die vier Systeme der Persönlichkeitsdynamik und die mit ihnen verbundenen gegen-sätzlichen Affekte konkurrieren miteinander. Vermutlich beruht der Antagonismus zwischen Absichtsgedächtnis und intuitiver Ausführungsregulation wie auch der zwischen Objekterkennung und Selbstwahrnehmung auf der Notwendigkeit eines Hemisphärenwechsels. Der Wechsel zwischen gegensätzlichen Affekten und Stim-mungen erleichtert diesen Wechsel zwischen den Großhirnhemisphären. Wir balan-cieren mit unseren wechselnden gegensätzlichen Gefühlen gleichsam im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung zwischen den genannten Systemen.Alle vier Systeme sind durch unterschiedliche (und im Falle der beiden konkur-rierenden Systeme gegensätzliche) Affekte verbunden. Affekte finden ihren Aus-druck in Dimensionen von Körperbewegungen, und umgekehrt lösen Bewegungen Affekte aus. Der ausgleichende Wechsel von Freude und Enttäuschung (die Verbin-dung zwischen Intentionsgedächtnis und intuitiver Verhaltenssteuerung) hilft uns, konkrete Ziele zu bilden, langfristig aufrecht zu erhalten und in geeigneten Momen-ten zu realisieren. Auch Objekterkennung und Extensionsgedächtnis gleichen sich als Erkenntnissysteme wechselseitig ab. Interagieren alle vier Systeme gleichberech-tigt, so setzen wir uns konkrete Ziele, die zu unseren Bedürfnissen als Person und zu unserer Lebensgeschichte passen und die wir im Alltag auch verwirklichen kön-nen. Wir sind dann in der Lage, zwischen eigenen Zielen und Anforderungen ande-rer Personen an uns intuitiv zu unterscheiden und unsere grundlegenden Bedürf-nisse wahrzunehmen, zu artikulieren und unter Berücksichtigung unserer partner-schaftlichen und sozialen Beziehungen so selbständig wie möglich zu befriedigen.Zurück zu unserem Fallbeispiel: Enttäuschungen über kurzfristig nicht zu reali-sierende eigene Pläne und Wünsche beim gemeinschaftlichen Choreographieren von Tänzen mit anderen Kindern der eigenen Klasse und den jungen erwachsenen Studierenden können zur Förderung der Befähigung beitragen, sich selbständig konkrete und realistische Ziele zu setzen, zu kommunizieren und in der Arbeits-gruppe zu realisieren, wenn es dem Kind gelingt, negativen Affekt so selbständig wie möglich zu regulieren und zu reduzieren. Da der Junge offenbar konkrete Pläne hatte und über ausreichende Initiative zu ihrer Umsetzung verfügte, seine Kompe-tenz zur Affektregulation (in diesem Falle zur Reduktion der Enttäuschung über nicht oder nicht unmittelbar erfüllbare Erwartungen) unzureichend geübt war,