344 Bernhard Müßgens tung der Raumebenen bietet in der Bewegungsanalyse einen ersten Schlüssel zum Verständnis des Verhältnisses von Kindern zu ihren Bezugspersonen und zur Klas-se als gesamter Bezugsgruppe.In der Bewegungsbeobachtung und -analyse werden die drei Raumebenen in ih-rem Zusammenhang und in ihrer Beziehung zu weiteren Parametern der Tanzbe-wegung gesehen. Für sich genommen sind die Raumebenen als vorläufige und noch unvollständige Diagnosekriterien einer Klassensituation und der Befindlich-keit einzelner Kinder in ihr zu sehen. Die vollständige und systematische Bewe-gungsanalyse berücksichtigt außerdem den Krafteinsatz (musikalisch gesprochen die Dynamik), die Zeitdimension (also neben dem Rhythmus der Bewegung vor al-lem Tempoänderungen und die zeitliche Dimension von Übergängen zwischen ver-schiedenen Tempi) sowie die Artikulation der Bewegungen (» Stakkato-« , » Portato-« und » Legatobewegungen « der Kinder, d. h. in der Bewegungsanalyse Unterschiede und Übergänge von freiem und gebundenem Muskelspannungsfluss). Ziel der Ana-lyse ist im Spektrum der Lern- und Entwicklungsdiagnostik ein individuelles Bewe-gungsprofil für jedes einzelne Kind, das in Korrelation zu standardisierten sprach-gebundenen Diagnoseinstrumenten Hinweise auf die Struktur der Persönlichkeit des Kindes gibt. Mithilfe einer Systematik von Bewegungsprofilen werden über sta-tistische Korrelationsanalysen mit bewährten Erhebungsinstrumenten zum Lern- und Entwicklungsstand, zur Handlungs- und Lageorientierung, zur Selbstmotiva-tions- und Selbststeuerungskompetenz und zur allgemeinen flüssigen Intelligenz von Grundschulkindern neue, alltagstaugliche lern- und entwicklungsdiagnostische Verfahren für die Anwendung im schulischen Lernkontext entwickelt. Daran arbei-tet eine Forschungsgruppe mit Mitgliedern des Instituts für Musikwissenschaft und Musikpädagogik und des Instituts für Psychologie der Universität Osnabrück unter der Leitung des Persönlichkeitspsychologen Julius Kuhl.In den vergangenen Jahren machten verschiedene musikpädagogische Transfer-studien von sich reden. Manche Erwartung wurde enttäuscht, übergeneralisierende Schlussfolgerungen mussten zurückgenommen oder relativiert werden.12 Im Mittel-punkt der Transferstudien stehen Effekte kindlicher Musikrezeption oder professio-nell angeleiteter Musikpraxis auf außermusikalische Lern- und Entwicklungsberei-che. Unser Projekt zielt dagegen auf gesicherte Verfahren, die es ermöglichen, in all-tagsnahen Situationen den individuellen Förderbedarf von Kindern zu ermitteln. Wir beobachten und reflektieren das soziale und kommunikative Bewegungsver-halten von Grundschulkindern zu ausgewählter Musik. Dabei richten wir den Blick auf intersubjektiv erkennbare Persönlichkeitsmerkmale der Grundschulkinder. Ziel ist es, den individuellen Förderbedarf unter besonderer Berücksichtigung der Bega-bungskompetenz für jedes einzelne Kind auf der Grundlage systematischer Bewe-gungsbeobachtung zu ermitteln. Die Begabungskompetenz von Kindern wird dabei 12 Vgl. Maria Spychiger: Was bewirkt Musik? Probleme der Validität, der Präsentation und der Inter -pretation bei Studien über außermusikalische Wirkungen musikalischer Aktivität, in: Musikpädago-gische Forschungsberichte: Macht Musik wirklich klüger. Musikalisches Lernen und Transfereffekte, hrsg. von Heiner Gembris, Rudolf-Dieter Kraemer, Georg Maas, Augsburg 2001, S. 13–37.