350 Jürgen Oberschmidt Es gibt hier verbindende Momente zwischen Kunst und Leben: Hier wie dort gibt es jene Augenblicke, wo Pausen den Eindruck von Leere vermitteln. Agogische Nuancen, ein Widerspiel von objektiver Zeitgestalt und ihrem subjektiven Erleben in einer sich artikulierenden Musik. Die Grenzen verfließen, unser anthropologi-scher Ausgangspunkt schwingt in den Überlegungen zur musikalischen Zeit be-ständig mit.Pink Floyd: » High Hopes « Eine Situation des Umbruchs markiert auch » High Hopes « . Es ist ein Lied des Ab-schiednehmens, beendet das Album » The Division Bell « und rückwirkend betrach-tet beschließt sich hier auch das Ende von Pink Floyd.Inhaltlich setzt sich das Stück mit der unausweichlichen Entscheidung der Grup-pe auseinander, zugunsten des äußerlichen Ruhmes mit all seinen Schattenseiten auf ein geregeltes Leben im heimatlichen Cambridge zu verzichten. Krisensympto-me sind im Album zu spüren, vom Ausgebranntsein, fehlender Luft zum Atmen ist hier die Rede, insgesamt herrscht eine melancholische Atmosphäre. Es wird jedoch nicht ausgesprochen, worin nun die in » High Hopes « titulierte Heilserwartung be-stehen mag: » So bleibt nur die Inventur, die Bilanz ist so ungewiss wie die Prog-nose.« 4 In unserem Kontext des Abschiednehmens gilt es nun, sich von dieser melancho-lischen Stimmung zu befreien, daher schlage ich dem Leser eher eine positive, trot-zige Lesart aus der unmittelbaren Nachbarschaft dieses Songs vor: » I knew the mo-ment had arrived / For killing the past and coming back to live « (» Coming Back To Live « ). » High Hopes « beginnt mit einem frei schwebenden Glockenton, der sich aus einem change ringing, dem Geläut der St. Pauls Cathedral, kristallisiert und durch-gängig zu hören ist. Der Klang dieser schwingenden Glocke bildet Anfang und Ende, » Willkommen und Abschied « dieser Komposition. Der Hörer horcht sich in den Klang der Glocke ein, lässt sich von ihr begleiten und folgt am Ende ihrem Ent -schwinden. Die hier symbolisierte division bell ist im englischen Parlament zu hören, wenn Entscheidungen zu fällen sind und die Abgeordneten zur Stimmabgabe in be-stimmte divisions gerufen werden. Früher mag dabei die Aufforderung – wie in » High Hopes « – durch eine echte Glocke erfolgt sein. Doch bevor nun dem Leser hier Gelegenheit gegeben werden soll, sich von den Eigenheiten des Glockenklangs und der Erfahrung seines Ent- (oder Ver-)schwindens fesseln zu lassen, möge er sich zunächst einem historischen Blick aussetzen, der auf drei ähnlich strukturierte Kompositionen von Conrad Paumann, Maurice Ravel und Olivier Messiaen gewor-fen werden soll. Dabei gilt es zu ergründen, auf welch unterschiedliche Weise sich das Musizieren mit oder zum Klang einer Glocke gestalten kann und sich die Kon-4 Jürgen Krätzer: … was die Glocke hat geschlagen. Pink Floyd: High Hopes, in: Die Horen 2008, S. 205–208, hier S. 205.