Pink Floyd: » High Hopes « 351 stante eines metrisch frei schwingenden Glockentons in musikalisch gestalteter Zeit auf ganz unterschiedliche Weise manifestiert: Conrad Paumanns Orgelstück » Re-deuntes in mi « aus dem » Buxheimer Orgelbuch « regt zu einem Musizieren zum Klang der Glocke an. Maurice Ravel und Olivier Messiaen greifen diese Konstella-tion auf: Hier erklingt der monotone Glockenton jedoch stilisiert im Klavier. Wie in » High Hopes « bildet er als Ostinato eine Achse, um die sich Akkordstrukturen ran-ken. Vier Kompositionen aus ganz unterschiedlichen Kontexten gilt es also zu be-trachten, die den frei schwebenden Zeitstrom der Glocken auf ihre individuelle Weise in die musikalisch gestaltete Zeit der jeweiligen Satzstruktur einbinden. Da-bei macht es zunächst keinen Unterschied, ob ein realistisches, frei schwingendes Geläut erklingt (Paumann), eine Glocke bereits in einem metrischen Gefüge » kulti-viert « zum Anschlag gebracht wird (Pink Floyd) oder stilisiert im Klavier erklingt (Ravel, Messiaen). In allen vier Kompositionen bilden Glockentöne eine eigene Zeitachse, die sich auf jeweils spezifische Weise vom übrigen Klanggeschehen ab-hebt. Ein statisches Erleben der Zeit, tendenziell entwicklungslos, keine auf ein Ende hin gerichtete Zeitlichkeit, womöglich ein Versuch, die Zeit stillstehen zu las-sen.Musik zum Klang der Glocke Das Musizieren zum Klang der Glocke – ganz gleich, ob sie nun realistisch erklingt oder stilisiert nachgeahmt wird – hat eine lange Tradition. Bereits im Mittelalter herrschte die Praxis, zu einer läutenden Glocke zu » orgeln « . Die Glocke übernahm eine stützende Funktion, ähnlich den Bordunsaiten einer Drehleier, die Orgel fand hier also ihren Gebrauch als Melodieinstrument.5 Im 12. Jahrhundert wurden hierzu bereits Großglocken eingesetzt, oft mit der eingegossenen musikalischen Funktions-bezeichnung » Symphonia « . Eine aus dem gesamten Geläut herausgehobene und funktionalisierte Einzelglocke, für die es dann eine jeweils abgestimmte Orgel gege-ben hat. Noch im 18. Jahrhundert wurde der Orgelbauer Joseph Gabler vertraglich verpflichtet, die neue Orgel im Kloster Weingarten auf den Ton der Hosanna-Glocke abzustimmen. 5 Vgl. Konrad Bund: Die Entwicklung der mittelalterlichen Glocke vom Signalgeber zum Musikinstru-ment, in: Glocken in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2, hrsg. vom Beratungsausschuss für das Deut-sche Glockenwesen, Karlsruhe 1997, S. 68–94, hier S. 92.