Pink Floyd: » High Hopes « 353 ganisten Lorenzo Ghielmi. Beide Interpretationen knüpfen an die beschriebene li-turgische Tradition an, führen diese jedoch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Das einsetzende Orgelspiel kann versuchen, den Schwingungsrhythmus der frei schwingenden Glocke aufzunehmen, um sich ihm anzugleichen (Vogel). Der Ein-satz der Orgel kann aber auch eine ganz eigene Zeitachse bilden, die sich gerade nicht in die metrische » Vorlage « der Glocke einfügen möchte (Ghielmi). Maurice Ravel: » Le gibet « aus » Gaspard de la nuit « Die Tradition der Glockenimitationen in der französischen Klaviermusik ist lang. Sie reicht von der umfangreichen barocken Carillonliteratur der Clavecinisten über Debussys Hinwendung zu deren » besonderen und bezeichnenden Eigenschaften des französischen Geistes « ,8 den » Cloches à travers les feuilles « aus der zweiten Rei-he der » Images « , direkt zu den nun zu behandelnden Kompositionen Ravels und Messiaens, die sich auf verschiedene und ganz unterschiedliche Weise mit dem Pro-blem naturalistischer und stilisierter Schilderungen der Glockentöne auseinanderge-setzt haben.9 Spätestens in Ravels » Gaspard de la nuit « , der Folge von » Trois poèmes pour piano d’après Aloysius Bertrand « , haben die Glocken das Lager gewechselt und den sakralen Raum verlassen, schreibt Ravel doch während seiner Kompositionsarbeit über die literarische Vorlage: » Beim Gaspard ist es mit dem Teufel zugegangen, kein Wunder, da er ja der Verfasser der Gedichte ist.« 10 Die Totenglocke des Galgengedichts durchzieht dabei den gesamten Mittelsatz, der sich von Beginn an auf den sich monoton wiederholenden Ton b aufbaut. Es ist der ostinate Ton der Glocke, die – um es mit den Worten Bertrands auszudrücken – » an den Mauern einer Stadt unterm Horizont schlägt, über dem Gerippe eines Ge-henkten, das die untergehende Sonne rötet « : 8 Claude Debussy: Monsieur Croche. Sämtliche Schriften und Interviews, hrsg. von François Lesure, Stuttgart 1974, S. 81.9 Maurice Ravel gestaltet Glockenklänge in » La vallée des cloches (Miroirs)« , in » Entre cloches « aus » Sites auriculaires « für zwei Klaviere. Für Messiaen bilden Glockenklänge eine Grundkonstante in zahlreichen Liedern und Orchesterwerken (vgl. Aloyse Michaely: Die Musik Olivier Messiaens. Un-tersuchungen zum Gesamtschaffen, Hamburg 1987, S. 350ff.). Hier sei daher nur auf die wichtigsten Klavierwerke hingewiesen: » Noël (Vingt regards sur l‘enfant-jésus)« , » Amen de la création « und » Amen de la consommation « (aus den » Visions de l‘amen « für zwei Klaviere). 10 Zit. nach Hans Heinz Stuckenschmidt: Maurice Ravel. Variationen über Leben und Werk, Frankfurt a. M. 1966, S. 144.