354 Jürgen Oberschmidt Maurice Ravel: » Le gibet « aus » Gaspard de la nuit « Ein » eintöniges Bimmeln « 11 des Armsünderglöckleins, das den Verurteilten auf sei-nem letzten Weg begleitete, bildet hier die Achse, um dessen Klang sich nun ge-spenstisch die Akkorde fügen: » Das Stück stagniert und verebbt so, wie es angefan-gen hat.« 12 In der sich unendlich wiederholenden b-Oktave dokumentiert sich so eine wenig spektakuläre Gestalt in dieser besonderen Form des Abschiednehmens: Es entsteht das Gefühl von Stagnation, die beklemmende Erfahrung von Zeitlosig-keit, des Festgebanntseins auf das Gegenwärtige, ohne eine Möglichkeit sich eine Zukunft zu entwerfen. Dieser Ausdruck der Leere findet Ausdruck in einer aus-druckslosen Melodie (» sans expression « , Takt 28) und womöglich dokumentiert sich hier jene Präsenz der Dinge (und der Symbolismus fordert zu verschiedenarti-gen, vielleicht gewagten Deutungen ausdrücklich heraus), die Heidegger in » Sein und Zeit « die » Unüberholbarkeit des Todes « 13 nennt und als eigen, unbezüglich, ge-wiss charakterisiert: » Der Tod als das Ende des Daseins ist die eigenste, unbezüg-liche, gewisse und als solche unbestimmte, unüberholbare Möglichkeit des Daseins. Der Tod ist als Ende des Daseins im Sein dieses Seienden zu seinem Ende.« 14 Doch zurück zur kompositorischen Substanz: Der Einsatz des Ostinatomotivs lässt den Hörer über den Taktschwerpunkt im Ungewissen. Erst im dritten Takt stellt sich durch die einsetzende Rahmung so etwas wie eine metrische Ordnung 11 Theo Hirsbrunner: Maurice Ravel. Sein Leben – Sein Werk, Laaber 1989, S. 177.12 Ebd., S. 177.13 Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 2006 [1927], S. 264.14 Ebd., S. 259.