356 Jürgen Oberschmidt Olivier Messiaen: » Cloches d’angoisse et larmes d’adieu « aus » Huit préludes pour piano « Auch Messiaen konstituiert ein ostinates, rhythmisches Glockenmotiv als Mittelach-se für die später einsetzenden Akkordtrauben. Ein periodischer Wechsel von Beto-nungsstärken bei Ravel greift den » schwingenden « Charakter der Glocke auf, wäh-rend Messiaen ihre rhythmische Ungebundenheit verdeutlicht. Denn im Gegensatz zu » Le gibet « geht der Rhythmus bei Messiaen nicht auf. Obwohl bereits der Sech-zehntelwert als kleinster Grundschlag angegeben ist, fügt sich der Rhythmus nicht in den 7/16-Takt ein. Hier kündigt sich bereits die für sein Frühwerk eher unty-pische » musique amesurée « 21 an, zu der Messiaen in seiner » Technique de mon lan-gage musical « schreibt: » Diese Mannigfaltigkeit « – gemeint sind die griechischen Metren und gregorianische Neumen – » erweckt in uns eine Vorliebe für Rhythmen mit Primzahlen (5, 7, 11, 13 usw.). Weiter vorstoßend werden wir Begriffe wie Takt und Zählzeit durch einen kurzen Wert (z. B. einer Sechzehntelnote) und seiner frei-en Multiplikation ersetzen.« 22 Eindrücklich erscheint auch die Einbettung der Glockenachse. Während in der behandelten » Reduentes « -Komposition des » Buxheimer Orgelbuch « das Bassostina-to einen Widerhall zum eigenen Schwingungsrhythmus der real erklingenden Glo-cke bildet, Ravel den Glockenton in atmosphärischen Klangnebel haucht, ergeben 21 Olivier Messiaen: Technik meiner musikalischen Sprache, Bd. 1, Paris 1966, S. 11. 22 Ebd.