Mozart – Hummel – Chopin. Zur Tradition der Sonatenform 371 Die Freude Mozarts: eine Freude, die man als dauerhaft empfindet; […] die Phrase seiner Musik ist wie ein ruhiger Gedanke; seine Einfachheit ist nichts anderes als Reinheit, sie ist wie ein Kristall, alle Gefühlsregungen spiegeln darin, aber wie schon ins Überirdische versetzt. ›Die Mäßigung besteht darin, gerührt zu sein wie ein Engel‹ (Joubert). Man muß an Mozart denken, um das gut zu verstehen.20 Manchmal schuf Mozart binnen zweier Takte eine abgeschlossene Phrase, wieder-holte sie in einer veränderten Form und gestaltete auf diese Weise einen Satz, ließ einen Nachsatz folgen und hätte so die Periode abschließen können. Aber nach die-sen acht Takten wiederholte er den zweiten Satz in veränderter Form, wobei er das Thema auf 12 Takte verlängerte. Auf diese Weise präsentiert er das Anfangsthema der C-Dur-Sonate KV 330. Beispiel 2: W. A. Mozart, Sonate C-Dur KV 330, 1. Satz: erstes Thema, Takt 1–12 Im Verhältnis zum kontrastierenden gesanglichen Thema im Piano, das in der Toni-kaparallele, somit in Es-Dur gehalten ist, hat das Anfangsthema der c-Moll-Sonate KV 457 einen entschiedeneren rhythmisch-dynamischen Charakter im Forte. Aber auch hier fehlt es nicht an einem zweiten thematischen Gedanken in der Tonika, der auf das Anfangsthema folgt. Die modulierende Überleitung besteht aus vier Takten (Takt 19 – 22), von denen die ersten zwei eine Wiederholung der zwei Takte des An-fangsthemas darstellen, die aber um eine Oktave versetzt wurden. Erst danach folgt eine tonleiterartige Figur auf dem B-Dur-Akkord, der zur Dominante führt. Einer-20 André Gide: Notes sur Chopin, Paris 1949, S. 45, zit. nach der deutschen Übersetzung von Walter Kolneder in: A. Gide: Aufzeichnungen über Chopin, Frankfurt am Main 1987, S. 36.