398 Friederike Ramm In dieser Folge von Publikationen zur Faktur des Quintettsatzes 23 liegt der Fo-kus auf satztechnischen Entwicklungen und Neuerungen; die Frage, ob oder inwie-fern die Quintette Werkpaare bilden könnten, findet sich daher – wenn überhaupt – nur implizit behandelt.Während Christoph Wolff die » Vierergruppe « noch als » geschlossene[n] Kom-plex « auffasst – denn » [i]m Unterschied zu dem vierzehnjährigen, musikalisch nur schwer überbrückbaren Hiatus zwischen KV 174 einerseits und KV 515 sowie 516 andererseits fällt weder der zeitliche noch der kompositionstechnische Abstand von dem Werkpaar aus dem Jahr 1787 zu den beiden Quintetten KV 593 und KV 614 von 1790–1791 ins Gewicht « ,24 widmet Thomas Schmidt den Quintettpaaren je einen eigenen Artikel. In seinem ersten Beitrag konzentriert er sich auf » den ›neuen‹ Satz von KV 515/516 « 25 und dessen Weiterentwicklung in den folgenden Streich-quartetten. Er behandelt die beiden Quintette aus dem Jahr 1787 im Prinzip als Ge-samtheit, zeichnet jedoch auch Entwicklungslinien vom früheren zum späteren Werk auf. Das letzte Quintettpaar KV 593 und 614 sieht er als Zielpunkt der be-schriebenen Tendenzen, wie er in seinem zweiten Beitrag darlegt. Denn diese Wer-ke zeigen – u. a. wieder auf die » Haydn-Quartette « wie auch auf Haydns Quartette selbst zurückgreifend – » eine Synthese [von Quartett- und Quintettstil] in hoher Konzentration und unendlichem Reichtum der Erfindung wie der Verarbeitung – man meint geradezu, hier das Ideal des Mozartschen Kammermusikstils vor sich zu haben « .26 Zwar spricht Schmidt-Beste hier auch für beide Quintette zugleich, doch da er besonders gründlich auf KV 614 eingeht, scheint sich wohl auch hier noch eine paarinterne Entwicklung abzuzeichnen. Schmidt setzt sich mit seiner Auffassung dieser Werke als » Zielpunkt « von Lud-wig Finscher ab, der in seinem Artikel vor allem die experimentellen Züge in Form, Satztechnik und musikalischem Charakter der beiden Quintette dargelegt und die Frage in den Raum gestellt hat, wie es denn wohl hätte weitergehen können.27 Auch wenn Finscher oft gegenüberstellende Beispiele aus beiden Werken bringt (etwa zur Kongreß zum Mozartjahr 1991 Baden – Wien, hrsg. von Ingrid Fuchs, Tutzing 1993, Bd. 2, S. 651–658, hier S. 657).23 Weitere Beiträge in: Mozarts Streichquintette. Beiträge zum musikalischen Satz, zum Gattungskon-text und zu Quellenfragen, hrsg. von Cliff Eisen und Wolf Dieter Seiffert, Stuttgart 1994.24 Christoph Wolff: à 1, 2, 3, 4, et 5 parties: Gattungsmerkmale und Satzarten in Mozarts Streichquintet-ten, in: Mozarts Streichquintette (s. Anm. 23), S. 13–27, hier S. 13.25 Schmidt: » Vom Streichquintett zum Streichquartett « ?, S. 21 (s. Anm. 20).26 Thomas Schmidt-Beste: Vom Streichquartett im Streichquintett. Zu Mozarts letzten Kammermusik -werken, in: Mozart-Jahrbuch 2001, Kassel 2003, S. 47–56, hier S. 56. Vgl. auch S. 51 und 54.27 Ludwig Finscher: Bemerkungen zu den späten Streichquintetten, in: Mozarts Streichquintette (s. Anm. 23), S. 153–162, hier S. 162. Allerdings fasst Finscher den Begriff des Experimentellen in sei-nem Aufsatz weiter (jener beinhaltet auch Formgestaltung und musikalischen Charakter), während Schmidt sich ganz auf die Satztechnik konzentriert; insofern bezieht sich dessen Einwand nicht ganz auf dasselbe: » KV 593 und KV 614 sind daher vielleicht gar nicht so sehr ›untypische‹ Quintette oder ›Experimentalwerke‹, sondern vielmehr ein Zielpunkt – diejenigen Werke, die Mozarts Satzideal wohl am nächsten kamen, gerade weil sie die ›traditionellen‹ Quintettmerkmale abgestreift hatten (Schmidt: » Vom Streichquintett zum Streichquartett « ?, S. 22, s. Anm. 20).