Mozarts Streichquintette KV 593 und KV 614: Ein kontrastierendes Werkpaar?401 bare Einschätzung der Paarhaftigkeit und Gegensätzlichkeit « zweier Werke » kon-kret am musikalischen Text zu belegen « : Auf der Suche nach einer tragfähigen Basis lautet die erste Frage natürlicher -weise: Wodurch werden zwei Werke zu einem kontrastierenden Werkpaar? Ganz offensichtlich reicht es nicht, wenn sie sich irgendwie sehr unterschei -den. Die Missa solemnis und die Klaviersonate op. 111 bilden kein solches Werkpaar.36 Der Kontrast darf also nicht das Hauptkriterium für ein Werkpaar sein. Es muss au-ßerdem gezeigt werden, wie zwei Werke aufeinander bezogen sind, was gerade sie als Paar von den übrigen abgrenzt; allein die Tatsache, dass sie gleichzeitig oder kurz nacheinander entstanden sind, ist nicht ausreichend. Gülke pointiert: » Nach-barschaft (nicht nur zeitliche)« und » Gegensätzlichkeit (nicht nur des Charakters)« .37 Für eine Sammlung geeigneter Kriterien seien einige Einträge aus Handbüchern und Werkführern betrachtet, in denen Werkpaare behandelt werden, zunächst aus dem 2005 erschienenen Mozart Handbuch.38 Neben der immer vorhandenen zeit-lichen Nähe werden dort folgende Aspekte genannt: –» Die komplementären Messen KV 49 und 65 « werden als » zwei Alternativen in der kompositorischen Aneignung der Gattung Missa brevis « aufgefasst, deren » dezidierte Unterschiedlichkeit « sich in Besetzung, Umfang, Tonart/Tongeschlecht und Stil offen-bart. Gemeinsamkeiten (z. B. analoge Disposition) wie auch Gegensätze in Themen- und Satzgestaltung (Konvention, Charakter) werden anhand der jeweiligen Einzelsät-ze gegenüberstellend verdeutlicht. Dabei zeigt sich, dass die Messen auch » komple-mentär […] in ihren Stärken und Schwächen « sind, aber » zusammen genommen […] ein beeindruckendes Gesellenstück ergeben « .39 –Das » Sonatenpaar « KV 376 und 377: Die identische Tonart irritiert, denn sie ist für ein Werkpaar ungewöhnlich; vielleicht lässt sie sich als besondere Herausforderung für die Komposition eines komplementären Gegensatzpaars verstehen. Die kontrastieren-den Charaktere » idyllische Abgeklärtheit « vs. » Leidenschaft « werden aus der syntak-tischen Anlage der beiden Werke abgeleitet: Der Symmetrie und musterhaft geglie-derten Gestaltung in KV 376 stehen Dynamisierung, Entwicklung und der Verzicht auf symmetrische Entspannung in KV 377 gegenüber, und zwar im Kleinen (Thema-tik) wie im Großen (Satzverläufe).40 36 Matthias Walz: Kontrastierende Werkpaare in Beethovens Symphonien, in: Archiv für Musikwissen-schaft 46 (1989), S. 271–293, hier S. 272.37 Peter Gülke über KV 488 und 491; Gülke: Die Konzerte, in: Mozart Handbuch (s. folgende Anm.), S. 328–381, hier S. 358.38 Mozart Handbuch, hrsg. von Silke Leopold unter Mitarbeit von Jutta Schmoll-Barthel und Sara Jeffe, Kassel 2005.39 Hartmut Schick: Die Geistliche Musik, in: Mozart Handbuch, S. 164–247, hier S. 175f. und 177.40 Nicole Schwindt, in: Mozart Handbuch, S. 419f. (s. Anm. 29).