404 Friederike Ramm Wollte man sie als zusammenhängende Werkgruppe auffassen, so wäre – pa-radox gesagt – ein Moment der Zusammengehörigkeit schon darin zu sehen, wie unterschiedlich sie im Einzelnen gestaltet sind: Differenzierung als verbin-dendes Element, Selbstständigkeit als Argument für eine » Einheit aus Gegen-sätzen « . Darüber hinaus aber lautet eine alte Frage, ob und wie weit die drei Werke – über die zeitliche Nähe ihrer Entstehung hinaus – zusammengehören, vielleicht sogar als zusammengehörig konzipiert waren.55 Damit wären wir – auf unser Thema übertragen – wieder bei der Eingangsfrage: Bil-den Mozarts letzte beide Streichquintette in diesem Sinne ein Werkpaar? Oder sind sie nur in etwa zur gleichen Zeit entstanden und spiegeln den gemeinsamen kom-positorischen Stand? Und sind sie als Kontrast entworfen oder einfach nur sehr un-terschiedlich?Bevor dies untersucht wird, seien die möglichen Kriterien hierfür aus den oben auf-geführten Beispielen abstrahiert und mit Überlegungen aus zwei einschlägigen Pu-blikationen zur Werkpaar-Thematik ergänzt. Folgende Kriterien wurden genannt:–Entstehungsgeschichte –Gesamtdisposition, Umfang, interne Proportionen –Stil, Charakter, Affektsprache –Bezug zur Konvention, Gattungstopoi –Tonart/Tongeschlecht, zeitgenössisches Tonartenverständnis, Realisierung von Ton-artencharakteren –Satzbezeichnungen, Satzarten, Taktarten, Tonarten der langsamen Sätze / der Trios –syntaktische Anlage, Themen- und Satzgestaltung, Satzverlauf –Umgang mit einer kompositorischen Aufgabenstellung bzw. mit den Erfordernissen der Gattung –Satztechnik, motivisch-thematische Arbeit, Kontrapunkt –Einheitlichkeit, Vielfältigkeit, Themenanzahl –harmonische und rhythmisch-motivische Bezüge –Art der Modulationen –intertextuelle Bezüge / Haydn-Rezeption –Bezug zum Rezipienten: introvertierte/extrovertierte Werke, » Schwierigkeit « /Beliebt-heit, Kenner/Nichtkenner Matthias Walz benennt in seinem Beethoven-Aufsatz zwei grundsätzliche Prinzi-pien für Werkpaare, die » sich im Einzelfall nicht scharf trennen lassen « :56 So kön-nen Werkpaare in der formalen Anlage ähnlich und im Stimmungsgehalt verschie-den sein oder aber eine unterschiedliche Lösung eines Form- oder Kompositions-55 Volker Scherliess: Die Sinfonien, in: Mozart Handbuch, hrsg. von Silke Leopold unter Mitarbeit von Jutta Schmoll-Barthel und Sara Jeffe, Kassel 2005, S. 250–325, hier S. 313f.56 Walz: Kontrastierende Werkpaare in Beethovens Symphonien, S. 272f. (s. Anm. 36).