412 Friederike Ramm deren Genres frei walten lassen, sondern gegen die er offensichtlich anarbeiten mußte.97 Aus der phasenweisen Beschäftigung mit einer Gattung schließt Konrad, dass » Mo-zarts Gestaltungswille sich gerne zeitweilig gültigen Fixierungen unterwarf « , aber auch, dass nach der zufriedenstellenden Lösung einer kompositorischen Problem-stellung in zwei oder mehr Alternativen, » sich das an sie gebundene gedankliche Potential aufgebraucht [hatte] und das Interesse für die betreffende Gattung er-losch « .98 Ob dies bei den letzten beiden Streichquintetten der Fall war, oder ob wie 1787 noch ein drittes hätte folgen sollen, für dessen Fertigstellung keine Zeit war, lässt sich nicht entscheiden. Gesamtdisposition Ein Standardkriterium für Werkpaare ist das Verhältnis der Grundtonarten zuein-ander (oft Terz- oder Quint/Quartabstand) sowie ihre Polarität, die sich häufig schon aus dem unterschiedlichen Tongeschlecht ergibt.99 Das erste Quintettpaar re-präsentiert dies in typischer Weise, noch dazu, wie immer wieder hervorgehoben wird, in besonders exemplarischer Umsetzung der Mozartschen Tonartencharak-tere: So sieht Schwindt die beiden Quintette durch die Tonarten C-Dur und g-Moll, die die » notwendig aneinander gekoppelten Sphären von Abstraktheit und Subjek-tivität, von Ideengröße und resignativer Tragik [evozieren]« , komplementär aufein-ander bezogen.100 Dagegen scheint die Kombination von D- und Es-Dur nicht werkpaarverdächtig zu sein. Von den meisten Autoren werden denn die Tonarten auch gar nicht thema-tisiert, nur Finscher findet insofern eine Gemeinsamkeit, als er für beide Werke die » Ebene der Charakterverwandlung und der ›Uneigentlichkeit‹« als konstitutiv fest-macht, die sich schon in der Tonartenwahl zeige. Denn » weder nach Mozarts eige-nen Konventionen noch nach den Tonarten-Ästhetiken der Zeit ist das D-Dur-Quin-tett eine ›echtes‹ D-Dur-Werk, das Es-Dur-Quintett ein ›echtes‹ Es-Dur Werk « .101 Ganz weit entfernt sind hier die Charakterisierungen Schubarts von Es-Dur als » Ton der Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott « und D-Dur als » Ton des Triumphes, des Hallelujas, des Kriegsgeschrey’s, des Siegsjubels « .102 Während die Hornquinten zu Beginn von KV 614 vielleicht noch einen gewissen Bezug zur allge-97 Konrad: Mozarts Schaffensweise, S. 67f. (s. Anm. 70).98 Konrad: Fragmente aus der Gegenwart, S. 181 (s. Anm. 74).99 Die Tonarten der in diesem Aufsatz zitierten Werkpaare: Messen KV 49/65: G und d; Streichquartette KV 464/465: A und C; Klavierkonzerte KV 450/451: B und D; KV 466/467: d und C; KV 488/491: A und c; Klaviertrio KV 496 und Klarinettentrio KV 498: G und Es; Sinfonien KV 550/551: g und C.100 Schwindt, in: Mozart Handbuch, S. 465 (s. Anm. 29).101 Finscher: Bemerkungen zu den späten Streichquintetten, S. 161 (s. Anm. 27).102 Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst [1784], hrsg. von Ludwig Schubart, Wien 1806, S. 377 und 379; Hervorhebungen original.