418 Friederike Ramm Satzübergreifende Themenverwandtschaft schließlich gibt es zwar auch in KV 593,121 doch in für Mozart wohl einzigartiger Weise finden wir sie in KV 614 vor, wo nahe-zu sämtliche Themen aus demselben Material gemacht sind.122 Dass bei einer solchen thematischen Vereinheitlichung den Durchführungen ganz besonderes Gewicht zufällt, versteht sich von selbst. Kontrast Die Expositionen der Kopfsätze (erster Formteil)Beide Kopfsätze sind monothematisch angelegt, aber auf verschiedene Weise. Wie oben erwähnt sind in KV 614 alle Teile der Exposition durch das Kopfmotiv mit sei-nen charakteristischen Tonwiederholungen (bzw. dessen Abwandlung im Seiten-thema) geprägt. Kontrastierende Elemente finden sich in den konzertanten Spiel-figuren oder den verselbständigten Begleitmotiven jeweils am Ende der Formteile, bevor sich dann wieder das Einheitsmotiv Bahn bricht.Dagegen ist der Kopfsatz von KV 593 ›klassisch monothematisch‹ angelegt, da auf der Dominante das erste Thema in variierter Form erscheint, doch dafür steckt dieses Thema an sich schon voller Kontraste. Es wird gebildet aus vier zweitaktigen Abschnitten, von denen jeder sein eigenes, jeweils im Kontrast zu allen anderen ste -hendes Motiv und Satzbild aufweist.Zu Beginn steht ein fanfarenartiges Motiv im Stimmpaar erste Violine – erste Viola. Es hat kaum mit seiner stufenweise auf- und absteigenden Linie die Grund-tonart vorgestellt, da wird es schon von einer dreifach wiederholten kadenziellen Wendung unterbrochen, die ein Abwenden von der Tonika zur Subdominantparallele 121 Man vergleiche die dialogisierenden Themen von Larghetto und Trio (aufsteigender Dreiklang und Motiv mit Terzsprung aufwärts und Sextsprung abwärts); die Seufzermotive im Larghetto, im Hauptthema des Adagios (besonders Larghetto T. 16/17 mit Adagio T. 8/9) und im Finale (z. B. Fuga-tothema T. 132/133); oder auch T. 2/3 des Larghettos mit dem Beginn des Allegros (Rhythmus, Ver-zierung, melodische Linie, vgl. unten Fußnote 140). Auf die besondere Bedeutung der fallenden Ter-zen als Grundschema in allen Sätzen hat Rosen hingewiesen (Der klassische Stil, S. 323–326, s. Anm. 10; vgl. dazu die auch rhythmische Ähnlichkeit von T. 46ff. im Allegro und T. 9ff. im Menuett).122 Eine Übersicht über die vielfältigen satzübergreifenden Beziehungen der diversen Themenbestand-teile findet sich bei: Thomas Ahrend: Variation der Variation oder Variante der Romanze? Zum zwei-ten Satz aus Mozarts Streichquintett Es-dur KV 614, in: Musik – Transfer – Kultur. Festschrift für Horst Weber, hrsg. von Stefan Drees, Andreas Jacob und Stefan Orgass, Hildesheim u. a. 2009, S. 53–70, hier S. 63. Dagegen nimmt Finscher das Andante von dieser zyklischen Themenbildung aus, da er als ›zyklisches Thema‹ nur das absteigende Nachsatz-Motiv aus dem ersten Satz auffasst (vgl. Be -merkungen zu den späten Streichquintetten, S. 158f.; s. Anm. 27), nicht aber das Element aus dem Vordersatz. Doch stiftet gerade dieses Motiv mit seinen charakteristischen Tonwiederholungen auch einen satz- bzw. formteilübergreifenden Zusammenhang. Vgl. auch Jahn zu dessen Funktion im Al-legro: » der Keim, aus dem der ganze Satz hervorwächst […]; was daneben auftritt ist nur durch das -selbe hervorgerufen und hat nur durch seine Beziehung darauf Bedeutung « (Mozart, Bd. 4, S. 99f.;s. Anm. 7). – Hinweise auf satzinterne und satzübergreifende Themenverwandtschaften auch bei Jeffrey L. Stokes: Motivic Unity in Mozart’s String Quintet, K. 614, passim; Notenbeispiele dazu auf S. 24, 26 und 27 (s. Anm. 118). – Ausgenommen von dieser zyklischen Themenbildung sind nur das neue Thema zu Beginn der Durchführung im ersten Satz und das Thema des Trios.