420 Friederike Ramm (Zwischendominante zur Subdominante) der übrigen Instrumente spielt sie eine weit ausholende Triolengirlande. » Gewaltsame Schläge « 123 unterbrechen sie, die nun endlich in einer etwas abrupten Kadenz die Rückkehr zur Tonika bewerkstelligen.124 Es geschieht also viermal etwas völlig Neues, und zwar auf allen Ebenen: Moti-vik, Rhythmik und Metrik, Satztechnik, Harmonik und harmonischer Rhythmus. Zwar bringen auch die folgenden vier Takte noch neue Elemente, so die Polyphonie und den durchgehend punktierten Rhythmus, doch harmonisch beruhigen sie, in-dem sie nun endlich die Tonika bestätigen.Es folgt die wörtliche Wiederholung der ersten acht Takte, aber statt zur Tonika kadenzieren die beiden Schlusstakte jetzt zur Dominante. Wenn die Tonikakadenz in Takt 28/29 schon relativ » gewaltsam « war, um wie viel mehr ist es dann diese völlig unvorbereitete Modulation. Wie vorher folgt die Bekräftigung der erreichten Tonart in dem polyphonen Abschnitt, der zunächst die Dominante ausführlich be-stätigt und sich dann in einer knappen Kadenz mit chromatischem Bassgang (T. 53) zur Doppeldominante wendet.Abschließend noch eine kurze Bemerkung zur Durchführung diese Satzes: Ge-nauso folgerichtig, wie in KV 614 der thematischen Einheitlichkeit der Exposition ein kontrastierendes Thema entgegengesetzt wird, wird sie hier zum Ort, an dem die grundverschiedenen Elemente des Hauptthemas verarbeitet werden. Während die verzahnte Anlage dieser Exposition kaum eine sichere Aussage dar-über zulässt, was noch zum Bereich des ersten Themas gehört und wo genau die Überleitung beginnt,125 zeichnet sich das nachfolgende Quintett KV 614 gerade durch deutlich voneinander abgegrenzte Formteile aus. Wegen dieser klaren Anla-ge, an der sich beispielhaft die Teile der Sonatenform mit ihren diversen stilistischen Haltungen zeigen lassen, druckt Ratner den Satz als Modell eines » ›textbook‹ plan for sonata form « in seinem Buch komplett ab.126 In einer symmetrischen Periode mit motivisch gleichem Vorder- und Nachsatz wird zunächst nichts als die Grundtonart konstituiert: nach vier Takten Halbschluss auf der Dominante, Ganzschluss am Ende. Erst jetzt werden Tonika- und Subdomi-nantparallele eingeführt, die den Beginn einer ausführlichen Kadenz bilden, die zu-123 Abert: Mozart, Bd. 2, S. 720 (s. Anm. 8).124 Es scheint, als sollten hier auf engstem Raum die für das Streichquintett typischen orchestralen Elemen-te wie Stimmteilung, ›Solokonzert‹ und Bildung von Stimmpaaren vorgeführt werden. Ratner nennt die Textur » crazy-quilt « und führt sie auf den » opera buffa style « des Stückes zurück (bzw. auf die Commedia dell’arte mit ihren Slapstick-Effekten; S. 389). Die grundverschiedenen zweitaktigen Ab-schnitte bezeichnet er mit » fanfare « , » alla zoppa « , » brilliant « und » alternating chords « (Classic Mu-sic, S. 130; s. Anm. 119). Dagegen sieht Deppert den Ursprung der » potpourriartigen Gestalt « darin, dass Mozart hier Versatzstücke aus Haydns op. 64,5/I verarbeitet (Mozart und Haydn, S. 11–17;s. Anm. 66). Demnach bietet das Mozartsche Thema gleichsam einen Querschnitt durch die Exposi-tion Haydns.125 Auch der langsame Satz dieses Quintetts ist übrigens ähnlich offen angelegt: keine Modulation zur Dominante, sondern bifocal close, Beginn des Seitensatzes in der Molldominante, Wendung nach Dur erst im Epilog. Vgl. S. 425.126 Ratner: Classic Music, S. 237–244 (s. Anm. 119).