Mozarts Streichquintette KV 593 und KV 614: Ein kontrastierendes Werkpaar?439 Der kontrapunktische Witz ist nun die Vereinigung der drei vorgestellten Themen, und zwar gerade nicht am Höhepunkt der Durchführung, sondern an ganz uner-warteter Stelle: in der Reprise bei der zweiten Wiederkehr des A-Teils der dreitei-ligen Liedform (T. 197).171 Erst jetzt offenbart sich die Eignung des homophon dar-gestellten Hauptthemas zur kontrapunktischen Verarbeitung. Sukzessiv setzen die drei Themen und zwei neue Kontrapunkte ein, so dass der Satz von der Ein- zu Fünfstimmigkeit anwächst. Da in dieser » polyphon geballte[n] Ladung « die Reprise des zweiten Themas bereits enthalten ist, kann die Wiederkehr der Seitenthemen-exposition entfallen.172 Notenbeispiel 18: KV 593, Finale, Reprise (Fugato T. 197ff.)Während in KV 593 ein nicht kontrapunktisches Thema später in einem Fugato ver-arbeitet wird, beginnt das Finale von KV 614 gleichsam mit zwei Soggetti, deren kontrapunktische Qualitäten jedoch durch die unbarocke Darstellung und Harmo-nisierung als Vorder- und Nachsatz innerhalb des klassischen Liedtyps verschleiert werden. In dem netten Contredanse-Thema lassen sich nämlich Motive aus der ba-rocken Fugenthematik ausfindig machen, so ein typisches Fortspinnungsmotiv im Notenbeispiel 19: KV 614, Finale, Beginn 171 Das Verfahren, eine Themenwiederholung für kontrapunktische Arbeit zu nutzen (meist kanon -artig), findet sich in diesen Quintetten des Öfteren, zum Beispiel bei den ›zweiten‹ Themen der mo-nothematischen Sätze KV 593/I und KV 614/IV oder dem wiederholten A-Teil des Menuetts aus KV 593.172 Vgl. Gülke: » Triumph der neuen Tonkunst « , S. 223 (s. Anm. 1).