Mozarts Streichquintette KV 593 und KV 614: Ein kontrastierendes Werkpaar?445 nen « bei gleichzeitigem » Bestreben nach thematischer und harmonischer Konzen-tration « auf die Entstehungszeit im letzten Lebensjahr:Die Themen sind in diesem Werk periodisch einfacher gegliedert und wirken deshalb volkstümlicher. Im Formalen gibt es keine Besonderheiten, und auch die Anlage der Sätze ist nicht erweitert. Es scheint, daß hier Mozart die kunst -volle Art der Stimmenbehandlung und die stellenweise komplizierte Satztech-nik bewußt in klare Formverläufe einzugliedern vorzog. Sicher ist darin die Einfachheit des Spätstils zu erkennen.195 Während die beiden späten Quintette zuweilen auch mit der Begründung als zweit -rangig eingestuft wurden, dass sie die beschränkten Lebensumstände in Mozarts letztem Jahr spiegelten, vermutet Cliff Eisen den wahren Grund für die Abwertung darin, dass sie nicht dem ›klassischen‹ Ideal der Haydn-Quartette und der Quintette aus dem Jahr 1787 entsprechen:Instead, they represent a new path for Mozart, one that sometimes eschews surface variety for the sake of a single motivating idea that frequently governs both the surface and structures of his works.196 Um diesem » neuen Weg « in Bezug auf das in dieser Hinsicht besonders radikale Es-Dur-Quintett noch etwas zu näher kommen, sei noch einmal ein Blick auf die dem Werk unmittelbar vorausgehenden Kompositionen geworfen.Seit 1788 hatte Mozart als k. k. Kammermusicus die großen Faschingsbälle in der Redoute mit Tänzen zu versorgen. So sind denn in seinem » Verzeichnüß « jeweils im Januar/Februar dieser Jahre zahlreiche Tanzserien zu verzeichnen. Auffällig ist nun, dass Mozart zu Beginn des Jahres 1791 mehr Tänze als je zuvor geschrieben hat, denn Ostern lag spät in diesem Jahr und so endete die Faschingszeit erst am 9. März.197 Auch wenn man KV 609 und KV 610 abzieht, die Papieruntersuchungen zufolge möglicherweise schon früher entstanden sind,198 bleiben immer noch zwölf Menuette, dreizehn deutsche Tänze und mindestens zwei Kontretänze. Dass der tanzbegeisterte und feierfreudige Mozart » seine Aufgaben als Tanzkompositeur wohl kaum als Frondienst empfunden haben dürfte « , darauf hat Monika Woitas hingewiesen.199 Vielmehr könnte ihn gerade die Herausforderung gereizt haben, die in den Beschränkungen der praxisnahen Gattung lagen:In den Wiener Tänzen zeigt sich » ein Ideenreichtum, der sich innerhalb stren-ger Grenzen entfaltet. Die Wiener Tänze überschreiten nur höchst selten die formalen Vorgaben des jeweiligen Tanztypus, was Periodenbau und Harmo-195 Sieber: Das klassische Streichquintett, S. 61 (s. Anm. 146).196 Eisen, in: The Cambridge Mozart Encyclopedia, S. 76 (s. Anm. 31).197 Volkmar Braunbehrens, Mozart in Wien, München 1986, S. 385. Vgl. auch Küster: Mozart und seine Zeit, S. 393 (s. Anm. 83).198 Tyson: Studies of the Autograph Scores, S. 33f. (s. Anm. 68).199 Woitas: Tänze und Märsche, S. 616. Vgl. auch ebd., S. 604f. (s. Anm. 164).