450 Wolfgang Ruf Entstehung und Kontext Die Werkgeschichte von » Friede auf Erden « ist im Kritischen Bericht zur Edition der Chorwerke in der Schönberg Gesamtausgabe ausführlich dokumentiert, 4 so dass nur an wenige Daten zur Entstehung, zum Druck und zur ersten Rezeption zu erin-nern ist. Schönberg komponierte den Chorsatz im Zeitraum nach dem 14. August 1906 bis einschließlich 9. März 1907 (Abschlussdatum). Das Werk ist ausdrücklich bestimmt für vierstimmigen Chor a cappella bei zweifacher Besetzung der Stimmla-gen Sopran, Alt, Tenor und Bass; nur für den Fall mangelnder intonatorischer Rein-heit ist instrumentale Begleitung hinzuzuziehen. Schwierigkeiten der chorischen Ausführung, die sich 1908 bei ersten Proben im Wiener Singverein unter Leitung von Franz Schalk einstellten, führten zur Fertigung eines Klavierauszugs durch An-ton Webern; mit Hilfe der Begleitung von Klavier oder Orgel sollte offenbar das Er -zielen einer sauberen Intonation in den Proben unterstützt werden. Die ursprüng-lich vorgesehene Erstaufführung musste, wohl aufgrund interpretatorischer Schwie-rigkeiten, aufgeschoben werden. Für die Uraufführung drei Jahre später nahm Schönberg auf Wunsch des Dirigenten, der zunächst nur die Begleitung durch ein Streichorchester empfohlen hatte, eine Orchestrierung vor, die er am 6. Oktober 1911 abschloss. Nach Schönbergs Anweisung ist das Orchester möglichst unhörbar einzusetzen; die Besetzung mit immerhin zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinet-ten in B, zwei Fagotten, zwei Hörnern und erster und zweiter Violine, Viola, Violon-cello, Kontrabass lässt jedoch erkennen, dass der Begleitung eine die Struktur ver-deutlichende Funktion zukommt. Schönberg nimmt bewusst die aus der kontra-punktischen Stimmführung, dem Ausnutzen extremer stimmlicher Register und der expressionistischen Klangentfaltung sich ergebenden Erschwernisse der Ausfüh-rung in Kauf, erlaubt jedoch, sie durch die die Vokalstimmen verdoppelnden In-strumente zu minimieren.Das Chorwerk erklang nach komplizierter Probenarbeit am 9. Dezember 1911 mit Orchester im großen Musikvereinssaal zu Wien durch den Philharmonischen Chor, unterstützt vom Wiener Lehrergesangsverein, unter Leitung von Franz Schre-ker, mit 120 Sängerinnen, 80 Sängern und dem Wiener Tonkünstler-Orchester. Der Komponist weilte damals in Berlin, nach einem überstürzten, von antisemitischen Anfechtungen begleiteten Auszug aus seiner Wiener Wohnung 5 ; er wurde am Tag Lyrik und Weltanschauungsmusik beim frühen Schönberg. Bemerkungen zu Opus 4 und Opus 13, in: Arnold Schönberg. Neuerer der Musik, Kongressbericht Duisburg 1993, hrsg. von Rudolf Stephan und Sigrid Wiesmann (= Publikationen der Internationalen Schönberg-Gesellschaft 3), Wien 1996, S. 24–31; Hanns-Werner Heister: Ohne Hunger und Angst leben. Musik gegen Repression, Rassismus und Rückschritt, in: Vom hörbaren Frieden, hrsg. von Hartmut Lück und Dieter Senghaas, Frankfurt a. M. 2005, S. 482–484. 4 Vgl. Edition: Arnold Schönberg. Sämtliche Werke, Abt. V (Chorwerke), Reihe A, Bd. 18: Chorwerke I, hrsg. von Tadeusz Okuljar, Mainz und Wien 1980, S. 7–35; Kritischer Bericht (KB): Arnold Schön-berg: Sämtliche Werke, Abt. V, Reihe B, Bd. 18.1 (Chorwerke I), hrsg. von Tadeusz Okuljar und Mar-tina Sichardt, Mainz 1991, S. XXI–XXIX und 5–36.5 Vgl. Alexander Zemlinskys Briefwechsel mit Arnold Schönberg, Anton Webern, Alban Berg und Franz Schreker, hrsg. von Horst Weber, Darmstadt 1995, S. 62, Anm. 182.