Arnold Schönbergs » Friede auf Erden « op. 13 451 nach der Aufführung durch Schreker von dem » unbestrittenen Erfolg « beim Publi-kum informiert, wobei der Dirigent höflich verschweigt, dass der Beifall vornehm-lich der Leistung des Chors und nicht den aufgeführten Werken galt. Die Musikkri-tik der Tagespresse äußerte sich über » Friede auf Erden « eher ungünstig oder zwie-spältig. Die Rede ist von » gequälten Tonfolgen « und der » Rücksichtslosigkeit der Stimmführung bei Ermangelung jedweder Melodik « ,6 ferner vom » wenig fried-lichen, dissonanzfrohen Chor « 7 und » wüsten, harten Stimmengedränge, jeder Takt ein Problem « .8 Auch Kenner waren geschockt. Julius Korngold registrierte » die kühne harmonische Bewegung, in der nach Art altniederländischer Hyperpolypho-nie das Melos ganz untergeht « .9 Richard Specht monierte die Missachtung der Dichtung und ihrer Stimmung, verkannte jedoch nicht » die meisterliche Polyphonie dieses Chors […], die überlegene Kunst der thematischen Kombination und Varia-tion und die Vollkommenheit des Aufbaus (mit Verzicht auf alle Ornamentik: Adolf Loos in Tönen)« .10 Max Graf erschienen » Stimmführung und Harmonik gewaltsam, aber die Musik vibriert von Ausdruck, sinnlich überquellenden Klangmassen und Empfindung und die Schlusssteigerung zieht auch die widerstrebenden Hörer mit sich fort.« 11 Ein Anonymus bemängelte die » stupende, manchmal an Künstelei grenzende kontrapunktische Kunstfertigkeit, [die nicht für] die Dürftigkeit der Er-findung und des inneren musikalischen Gehalts zu entschädigen [vermag]« , und re-sümierte: » wenn man mit nervösem Unbehagen der ruhelosen Modulation durch schier endlose Häufungen unerträglicher Dissonanzen, die vergeblich nach Auflö-sung schreien, zu folgen gezwungen war, so wird man bei diesem Chor noch oben-drein in seiner Hoffnung auf einen friedlich-versöhnlichen Schluss enttäuscht, der doch manche Schönberg'schen Streichquartette krönt und auch hier dem Text wohl entspräche.« 12 Ein weiterer unbekannter Kritiker erkannte wohl als einziger die pro-grammatische Dimension des Gedichts und die seiner Vertonung: » Schönberg stellt den Frieden auf Erden gar zu realistisch dar. Manchmal geht es selbst auf Erden manierlicher zu. Eine musikalische Baronin Suttner hätte diesem Werke dringend notgetan.« 13 Dass sich die Kritiker im Benennen der verstörenden Momente des Chors einig waren, sollte als Indiz seiner innovatorischen Qualität ernst genommen, nicht als Zeichen von Ignoranz oder Inkompetenz einiger weniger abgetan werden.Die Komposition war in einer Zeit höchster schöpferischer Anspannung entstan-den: nach der Vollendung der Ersten Kammersymphonie op. 9, dem Abbruch der ersten Arbeiten an der Zweiten Kammersymphonie und unmittelbar vor der Inan-griffnahme des Zweiten Streichquartetts op. 10 (1907/8); am Tag der Niederschrift des Chorsatzes (9. 3. 1907) entwarf er die ersten Skizzen dieses Quartetts. » Friede 6 Paul Stauber in: » Illustriertes Wiener Extrablatt « vom 27. 12. 1911, KB S. XXXIII.7 » Der Morgen « vom 18. 12.1911, KB S. XXXIII. 8 Unbekannte, nicht datierte Quelle, KB S. XXXIV. 9 Julius Korngold in » Neue Freie Presse « , o. D., KB XXXIV. 10 Richard Specht in: » Der Merker « , 3. Jg., 1. Febr.-Heft 1912, KB S. XXXV. 11 Max Graf in: » Die Zeit « vom 6. 1. 1912, KB S. XXXIV. 12 Unbekannte, nicht datierte Quelle, KB S. XXXIV.13 » Monatsblatt « , o. D., KB S. XXXVI.