Arnold Schönbergs » Friede auf Erden « op. 13 453 Sport und Spektakuläres wie Erdbeben und Attentate berichtete und mit fotogra-phischen » Bildern vom Tage « , Fortsetzungsromanen und gelegentlichen Gedichten angereichert war; zu Weihnachten wurde auch ein Klavierlied zum Nachsingen und -spielen abgedruckt. Wellesz' Hinweis auf den prosaisch anmutenden Anlass für » Friede auf Erden « ist nicht zu belegen, doch unwahrscheinlich ist er nicht: Auf-rufe, sich an Wettbewerben zur Neubearbeitung oder Neukomposition von Vokal- und speziell von Chormusik zu beteiligen, die von staatlicher Seite, Sängerbünden, Vereinen, Zeitschriften- oder Musikverlagen ausgingen, waren damals in Deutsch-land nicht selten. Sie standen in einer bis zur Zeit vor der Revolution von 1848 zu-rückreichenden Tradition und verfolgten den Doppelzweck der ideologischen, oft nationalistischen Bewusstseinsbildung und der Bereicherung eines als stagnierend empfundenen Repertoires.18 Ein aktuelles und das wohl bekannteste Projekt in Deutschland war die Stiftung des 1899 erstmals vergebenen » Wanderpreises des deutschen Liedes « durch Kaiser Wilhelm II. Aus ihm ging das 1906–1907 (oder 1908) in zwei Bänden bei C. F. Peters in Leipzig erschienene Volksliederbuch für Männerchor, das sogenannte » Kaiserliederbuch « , hervor, in das nach Auswahl einer Kommission unter Leitung von Max Friedländer und Rochus von Liliencron 810 alte und neue Volksliedsätze aus über 8000 Einsendungen aufgenommen worden waren.19 Das in der Weihnachtsausgabe der » Woche « von 1906 angezeigte Preisausschrei-ben für Balladen-Kompositionen war hinsichtlich der Besetzung » für ein- oder mehrstimmigen Gesang mit Klavierbegleitung sowie für a cappella-Chor « 20 be-stimmt. Es schloss direkt an ein mit 4900 Einsendungen offenbar erfolgreiches Preis-ausschreiben derselben Zeitschrift über neue Balladen-Dichtungen an und setzte die Vertonung eines der Gedichte voraus, die im jüngst (Berlin 1906) erschienenen » Neuen deutschen Balladenschatz « des Zeitungsverlags August Scherl abgedruckt waren. Die Modalitäten beider Wettbewerbe waren vergleichbar: Aus den einge-reichten Arbeiten wählte eine prominent besetzte Jury die besten zur Publikation in einem Sonderheft der Zeitschrift aus. Honoriert wurde der Druck der Gedichte mit 60 und der Kompositionen mit 250 Mark; die drei besten erhielten die lukrative Summe von 3000, 2000 oder 1000 Mark. Dass sich Schönberg am Balladen-Wettstreit beteiligte, ist angesichts seines finanziellen Notstands durchaus verständlich. Sollte er jedoch im gleichen Zuge seinen Chor a cappella » Friede auf Erden « eingereicht haben, war schon aufgrund des Textes (Weihnachtsgedicht mit kritischem Unterton statt romantischer Ballade) und dessen fehlender Novität ein Ausscheiden aus dem Wettbewerb zwangsläufig. Auszuschließen ist, dass Schönberg mit seinem Werk einen Beitrag zur Verbreitung oder Popularisierung des Chorgesangs, zur Belebung 18 Zur politischen Motivation der musikalischen Wettbewerbe siehe Dietmar Klenke: Bürgerlicher Männergesang und Politik in Deutschland, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 40 (1989), S. 467; hierzu auch: Sabine Giesbrecht: » Lieb Vaterland, magst ruhig sein « . Musik und Nationalismus im deutschen Kaiserreich, in: Vom hörbaren Frieden, hrsg. von Hartmut Lück und Dieter Senghaas, Frankfurt a. M. 2005, S. 425–428.19 Vgl. Friedhelm Brusniak: Chor und Chormusik, in: MGG2, Sachteil 2, Sp. 807f.20 Die Woche, 8. Jahrgang, Nr. 51, 22. Dezember 1906, S. 2214.