454 Wolfgang Ruf des Volkslieds oder zur nationalpatriotischen Aufrüstung des Kaiserreichs oder deutsch gesinnter Kreise der Donaumonarchie leisten wollte – dem hätten die klanglich differenzierende gemischte Besetzung (anstelle des damals immer noch bevorzugten Männerchors) und noch mehr das kompositorische Niveau und die hohen gesangstechnischen Anforderungen in krasser Weise entgegen gestanden. Wie sehr Schönberg der Druck und damit die Verbreitung des Werks am Herzen lag, geht aus den zähen, letztlich erfolglosen Verhandlungen mit dem Direktor der Wiener Universal-Edition, Emil Hertzka, hervor. Hingegen zeigte sich der Kölner Verlag Tischer & Jagenberg bereit, eine Partitur mit dem unterlegten Klavierauszug zu drucken. Sie erschien im Juli 1912, doch erwies sich die Erwartung eines passablen Absatzes zunächst als vergeblich. Die Orchesterbegleitung blieb bis zum Erscheinen in der Gesamtausgabe (1980) ungedruckt; bei späteren Aufführungen in Frankfurt am Main (1923 und 1924) unter Leitung von Hermann Scherchen wurde » Friede auf Erden « a cappella gesungen, während bei Wiener Aufführungen (1924, 1928, 1929 und 1932) durch Felix Greissle (1924), Erwin Stein (1928), Webern (1929) Schönbergs instrumentale Begleitung hinzugenommen wurde.Das Gedicht Außer Frage steht, dass Schönberg das Gedicht selbst ausgewählt hat. Er entnahm es laut dem handschriftlichen Besitzervermerk von seinem ersten Verleger Max Marschalk, dem Direktor des Berliner Drei-Lilien-Verlags, stammenden und offen-bar in seinen Besitz übergegangenen Band der » Gedichte « von Conrad Ferdinand Meyer, 5., vermehrte Auflage, erschienen Leipzig 1892. Schönberg hat in der Erst-niederschrift des Chors ausdrücklich diese Quelle mit der zutreffenden Seitenanga-be (» Mayer, 255 « ), aber falschen Schreibweise des Namens angegeben. Das heute im Anton Schönberg Center Wien aufbewahrte Buch weist Anstreichungen weiterer Gedichte und bei einem Text den Vermerk » Chor « von Schönbergs Hand auf.21 Ob-gleich nur noch zwei, zudem fragmentarisch gebliebene Mörike-Vertonungen als Klavierlieder in Angriff genommen wurden, darf man annehmen, dass den Kompo-nisten die charakteristische Lyrik des Schweizer Dichters stark berührt hat. Ihre Klangsinnlichkeit, ihre Bildkraft und reiche Symbolik und der die nuancierte lyri-sche Stimmungshaftigkeit oft aufhebende, episch weite und dramatisch zuspitzende Gehalt müssen ihn ebenso angesprochen haben wie die aus den Versen erschließba-re ernste, ethisch und religiös fundierte Weltsicht.Der dem bürgerlichen Realismus zuzurechnende Schweizer Dichter C. F. Meyer (1825–1898) war ein überzeugter, von einem tiefen Verständnis für die Reformation geprägter Protestant, der in seinen Novellen und Gedichten die Gegensätze der Wirklichkeit zur Versöhnung zu bringen suchte. Das Gedicht » Friede auf Erden « 21 Vgl. Arnold Schönberg: Sämtliche Werke: Friede auf Erden, Kritischer Bericht, S. 31 (s. Anm. 4). – Therese Muxeneder (Arnold Schönberg Center Wien) sei herzlich gedankt für die Möglichkeit, den Gedichtband einzusehen, und für weitere freundliche Hinweise zu op. 13.