Arnold Schönbergs » Friede auf Erden « op. 13 457 den und den Menschen ein Wohlgefallen « ) in der zweiten Strophe konfrontiert mit der realistischen Rückschau auf die vielen von blutigen Kriegen gezeichneten Jahr -hunderte, die seit dem biblischen Ereignis entgegen der alljährlichen Beteuerung des christlichen Friedenswillens zur Weihnachtszeit vergangen sind. In der dritten und vierten Strophe wird der ungebrochene Glaube an die zukünftige Durchset-zung des Guten gegen alles Böse beschworen. Die Verheißung einer besseren Welt steigert sich grandios in die Vision eines Reiches, wo starke Menschen ihre volle Kraft für gleiches Recht und allseitigen Frieden einsetzen, in Erfüllung eines ande-ren neutestamentlichen Worts » Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Söhne heißen « (Matthäus 5, 9). Ihre Waffen (die » Flammenschwerter « ) sind nicht Werkzeuge übler Gewalt, sondern sichern Schutz vor Unterdrückung. Der Text Meyers enthält wohlgemerkt keine explizite Erwähnung von Gott, Christus oder Je-sus, so dass die messianische Botschaft der Schlussstrophe unabhängig von ihrem christlichen Ursprung auf jeden begnadeten Heilsbringer und Friedensstifter und seine Nachkommenschaft übertragen werden kann.Meyers Gedicht verrät religiöses, dem Christentum wie dem Judentum vertrau-tes Denken, was die Heilserwartung und die Hoffnung auf ewigen Weltfrieden be-trifft; es ist realistisch und kulturkritisch hinsichtlich der Analyse von Vergangen-heit und Gegenwart, aber optimistisch in Bezug auf die ferne Zukunft. Die Affinität zu Ideen der pazifistischen Bewegung ist offensichtlich, ebenso der Nachhall auf die unmittelbar vorangegangenen, von nationalistischen und imperialistischen Bestre-bungen beherrschten, konfliktreichen oder kriegsbedrohten Jahre. Den politisch be-wussten, liberal gesinnten Dichter, der in der romanischen wie in der deutschen Kultur verwurzelt war und der sich als Autor spät, im Zuge der Reichsgründung (1871), für die deutschsprachige Literatur entschied und der die unorthodoxen Ideen Tolstois teilte, müssen die anhaltenden Spannungen nach dem Deutsch-Franzö-sischen Krieg von 1870–71 und die ständigen Machtdemonstrationen, Defensiv-bündnisse und Unruhen in Europa belastet haben. Erwähnt seien nur die » Krieg-in-Sicht-Krise « durch die französische Wiederaufrüstung und die deutschen Präven-tivkriegspläne (1875), der Russisch-Türkische Krieg (1877–78), die bedrohlichen Bei-standspakte wie der » Zweibund « zwischen Deutschland und Österreich gegen Russland (1879), der » Dreibund « zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien gegen Frankreich (1882), die » Mittelmeerentente « zwischen England, Öster-reich-Ungarn und Italien gegen die russische Meerengenpolitik (1887), der Kultur-kampf in Deutschland oder die Aufstände in Russland. In dem Klima allgemeiner Verunsicherung durch Militarismus und Imperialismus war die Sehnsucht nach Frieden allgegenwärtig.Aus » Friede auf Erden « ist zu schließen, dass in der Vorstellung Meyers der weltweite Völkerfrieden nicht, wie es idealistische Entwürfe vorsehen, etwa Kants » Zum ewigen Frieden « (1795) oder Friedrich von Gentz’ » Über den ewigen Frieden « (1800), aus einer kraft Vernunft realisierbaren universellen Rechtsordnung entspringt, sondern erst aus dem transzendental gelenkten Weltenlauf und der glücklichen Einsicht einer ethische und humanitäre Grundsätze verfolgenden