Entfaltung eines Motivkeims bei Felix Mendelssohn Bartholdy:Die entstehungsgeschichtliche und funktionale Bedeutung des Anfangsgedankens im Oratorium » Elias « op. 70 MWV A 25 Entfaltung eines Motivkeims bei Felix Mendelssohn Bartholdy Christian Martin Schmidt Vor gut drei Jahren tauchte unter den Neuerwerbungen der Juilliard School, New York, eine Quelle zu Mendelssohns Oratorium » Elias « auf, die der Forschung bis dahin als verschollen gelten musste. Während für den englischen Klavier-Auszug zwei Korrekturexemplare mit Eintragungen des Komponisten 1 bekannt waren, fehl-te jegliches Dokument zum gleichen Stadium des Produktionsprozesses von dessen deutschem Äquivalent. Durch Vermittlung von Kurt Masur wurde die Quelle der » Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy « rasch zugänglich gemacht und konnte – buchstäblich in letzter Minute – für die Textfindung im Hauptband 2 der auf fünf Bände projektierten Edition des Werkes in dieser Gesamt-ausgabe herangezogen werden.Der hohe Wert dieses Korrekturabzugs für die musikwissenschaftliche For-schung indes beruht nicht allein darauf, dass mit seiner Entdeckung eine Lücke in-nerhalb der Quellenfiliation geschlossen wurde, sondern lässt sich vor allem auf ihm eigene inhaltliche Qualitäten zurückführen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Abzug innerhalb der chronologischen Abfolge der auf uns gekommenen Quellen des Oratoriums das späteste Dokument darstellt, das eigenhändige Eintra-gungen des Komponisten bietet, also bei der Ermittlung einer Fassung letzter Hand von entscheidender Bedeutung sein kann. Noch wichtiger ist die Funktion, die dem Klavier-Auszug bei der Herstellung des Partiturdrucks zukam und die ihm vom Komponisten selbst bei der Herstellung des Partiturdrucks zugewiesen worden war.1 Das eine Exemplar, das heute in der University of Chicago, Joseph Regenstein Library, Preservation Department unter der Signatur M2003.M5E4 18--b, Rare bk room aufbewahrt wird, zielte auf die Kor-rektur der vom Verlag J. J. Ewer & Co., London, erstellten Stichplatten, das andere, das neben den Änderungen Mendelssohns auch ausgedehnte Eintragungen von dessen Kopisten Eduard Henschke bietet, der insbesondere den deutschen Text nachtrug, diente als Vorlage für den vom Verlag N. Sim-rock, Bonn, vorbereiteten Neustich des Klavier-Auszugs und ist heute in The Morgan Library & Mu-seum (vormals: The Pierpont Morgan Library), New York, unter der Signatur PMC 93 zugänglich. Beide Klavier-Auszüge, der englische wie der deutsche, erschienen gleichzeitig im Juni 1847.2 Partitur der Endfassung: Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias. Ein Oratorium nach Worten des Alten Testaments op. 70, hrsg. von Christian Martin Schmidt (= Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Serie VI, Bd. 11), Wiesbaden, Leipzig, Paris 2009.