472 Christian Martin Schmidt Notenbeispiel 3: Korrekturexemplar des deutschen Klavier-Auszugs, Einleitung T. 1–2, post correcturam Was nun ist an dieser Notierung » nicht gerade gewöhnlich « , kann » leicht zu Irrun-gen führen « und warum bestand der Komponist auf ihr, obwohl ihm bewusst sein musste, dass sich bei der praktischen Realisierung der beiden Notationsversionen auf dem Klavier keinerlei klangliche Unterschiede ergeben, das sichtbare Notenbild sich also nicht auf den Höreindruck auswirken konnte?*Die zwölf Takte, mit denen das Oratorium anhebt und die Mendelssohn in der End-fassung » Einleitung « bzw. » Introduction « nannte, stellen kein themen- und motiv-leeres Vorspiel dar, wie es uns aus Kopfsätzen etwa einer Haydn-Symphonie ver-traut ist, sondern kommen gleich zur Sache. Mendelssohn entspricht damit unein-geschränkt dem formalen Gestus, in dem die biblische Vorlage durch die abrupte Vorstellung des Elias samt dessen Fluch gleichsam mit der Tür ins Haus fällt: » Und es sprach Elia, der Thisbiter, aus den Bürgern Gileads, zu Ahab: So wahr der Herr, der Gott Israels, lebet, vor dem ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.« (1. Könige, Kapitel 17, Vers 1).Mendelssohn greift diese abrupte Exposition insofern auf, als er auf dem knap-pen Raum von zwölf Takten wenigstens drei wesentliche Motive 6 seines etwa 150 Minuten dauernden Werkes präsentiert (siehe Notenbeispiel 4).6 Fragwürdig scheint die häufig vertretene Behauptung (insbesondere bei Andreas Eichhorn: Felix Mendelssohn Bartholdy, Elias, Kassel u. a. 2005, S. 48f.), auch dem aufsteigenden Dreiklang, mit dem Elias ansetzt, sei eine motivische, hermeneutisch eindeutige Bedeutung zuzumessen. Der Auffassung Eichhorns, dass der » Dur-Dreiklang für den trinitarischen und ›offenbaren‹ Gott, den ›deus revela-tus‹« (S. 48) stünde, widerspricht beispielsweise die Tatsache, dass in Nr. 12, T. 13–14 auch die Anru-fung Baals mit einem aufsteigenden Dreiklang vertont wird.